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 Elementarteilchen

Autoren: Michel Houellebecq
Übersetzer: Uli Wittmann
Verlag: List

Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Brutalität
Gefühl
Spannung


"Elementarteilchen" liegt einem während und auch nach dem Lesen schwer im Magen. Das liegt unter anderem an den Protagonisten, den Halbbrüdern Bruno und Michel, die beide getrennt von der Mutter und getrennt von einander aufwachsen, und die sich im Jugendalter zum ersten Mal begegnen. Michel führt ein autistisches Forscherleben und hat außer den unregelmäßigen Gesprächen mit seinem Bruder keine sozialen Kontakte. Schon als Jugendlicher wird ihm klar, dass menschliche Regungen ihn sein Leben lang niemals erreichen werden. Bruno dagegen ist Zeit seines Lebens auf der Suche nach Kontakt. Da seine Kontaktsuche sich auf sexuelle Begegnungen beschränkt, kann man auch ihm einen gewissen Autismus unterstellen.

Um das Leben dieser beiden Brüder rankt sich nun Houellebecqs eigentliche Geschichte, die die Geschichte aller Menschen, die Ende des 20. Jahrhunderts gelebt haben, ist beziehungsweise sein soll. Im Zuge der immer weiter voranschreitenden Liberalisierung und Individualisierung ist die Welt kein Ort mehr, an dem Menschen glücklich sein können. Einsam, lieblos und depressiv sind Houellebecqs Figuren. Gibt es irgendwo ein Fünkchen Hoffnung, zum Beispiel als Bruno eine Frau namens Christiane trifft und kurze Momente von Glück erfährt, wird dieses Glück jäh zerstört. Christiane sinkt in einem Swingerclub in sich zusammen, sitzt fortan im Rollstuhl und stürzt sich schließlich aus dem Fenster. Brunos Bruder Michel ergeht es nicht besser. Glück ist nicht erlaubt in Houellebecqs Roman oder nicht möglich.

"Elementarteilchen" wurde hoch gelobt und böse zerrissen. Es ist ein Buch mit viel Polarisierungspotential. Houellebecq versteht es zu provozieren. Das fängt schon bei der Sprache an, die nicht zimperlich ist und zwischen absolutistisch anmutenden Thesen, naturwissenschaftlichem Fachwissen und billigem Sexroman hin und her schwankt. Das alles kann dem Leser auch zuviel werden: zuviel Absolutismus in den Ideen, zuviel (pseudo-)intellektuelles Gehabe und zuviel Gerede über Körperflüssigkeiten, Körperteile und Sex. Insbesondere das Sexgeplapper wirkt zuweilen wie eine plumpe Art der Provokation des Autors. Sex sells, heißt es. Vielleicht hat Houellebecq sich das auch gedacht.

Die Erzählstimme des Romans ist schwer zu fassen, auch weil man beim Lesen immer wieder das Gefühl hat, den Autor durch diese Erzählstimme zu hören. Auch eine gewisse Arroganz beim Erzählen könnte man Houellebecq anlasten und nicht dem eigentlichen Erzähler der Geschichte.

Alles in allem ist dieser Roman recht schwer verdaulich. Der Stoff ist deprimierend, alle Figuren sind depressiv, zumindest tendenziell. Zusätzlich wird diese Depressivität der Figuren auf das gesamte Leben der westlichen Welt Ende des 20. Jahrhunderts übertragen und verallgemeinert. Wir alle sind depressiv und einsam, unfähig zu lieben. Hinzu kommt dann noch, dass der Erzähler (oder ist es der Autor?) teilweise sehr unsympathisch wirkt.

Trotzdem ist es ein lesenwertes Buch. Zum einen für Leser, die sich gerne reiben und auf eine grundsätzliche Übereinstimmung mit dem Erzähler verzichten können. Dann auch für Leser, die einen durch und durch negativen Blick auf unsere Zivilisation nicht scheuen und sich gerne mit Ideen, wenn auch absolutistisch dargebotenen, auseinandersetzen. Und natürlich für alle, die Hippies und die 68er Generation noch nie leiden konnten.

Will man hingegen einen Sonntagnachmittag lang in der Hängematte liegend das Leben genießen, sollte man dieses Buch nicht zu Hand nehmen, denn dies ist keine Sonntagnachmittagslektüre. Außer es regnet.

Katja Maria Weinl



Taschenbuch | Erschienen: 01. März 2006 | ISBN: 9783548606545 | Originaltitel: Les particules élémentaires | Preis: 8,00 Euro | 357 Seiten | Sprache: Deutsch

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