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 Europa im frühen Mittelalter 500-1050

Eine Kultur- und Mentalitätsgeschichte

Autoren: Franz Neiske
Verlag: Primus Verlag

Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Preis - Leistungs - Verhältnis


Nach dem Zusammenbruch des Römischen Reiches musste sich Europa neu ordnen. Aus den alten römischen Strukturen, vermischt mit der Kultur der Germanen, entstand eine völlig neue Welt. Diese Zeit des Umbruchs war entscheidend für viele Veränderungen und prägte das Gesicht Europas über lange Zeit. Wie genau sich diese Zustände auf die einzelnen Reiche, den Glauben und die Gesellschaft an sich auswirkten, erläutert das Buch "Europa im frühen Mittelalter 500-1050".

Um die Mentalität einer Gesellschaft zu verstehen, muss man zuerst wissen, wie sie aufgebaut ist. Darum beginnt das Sachbuch mit einer genauen Einführung in die mittelalterliche Ständegesellschaft und deren Zwänge. Auch die Unterschiede zwischen Stadt- und Landbevölkerung werden deutlich gemacht. Die Legitimation der damaligen Herrscher findet durch die Kirche statt, weswegen die engen Verflechtungen von Glauben und Politik näher ausgeweitet und erläutert werden. Nach der Abschaffung des alten Erbrechts, das dazu führte, dass das Reich zwischen den Kindern eines Herrschers aufgeteilt wurde, ist es erstmals möglich, ein permanent gleich großes Herrschaftsgebiet zu erhalten. Der jeweilige Herrscher gilt hierbei als von Gott besonders gesegnet. Diese Strukturen führen dazu, dass die katholische Kirche großen Einfluss ausübte und ihre stets präsente Rolle in jedem angeschnittenen Sachthema zum Frühmittelalter deutlich hervortritt.

Auch im persönlichen Leben spielen die Religion und der Glaube an Gott eine große Rolle. Viele wissenschaftliche Werke befassen sich mit dem Jenseits, der Beschaffenheit der Seele oder mit Krankheiten, die man als von Gott gesandt verstand. Dennoch gibt es, wie das Sachbuch aufzeigt, damals eine große Toleranz gegenüber religiösen Theorien. Trotz des Einflusses der Kirche gibt es Werke über Wissenschaften und brillante Kunstwerke, die im Buch vorgestellt werden. Trotzdem spielen die Frömmigkeit und der Glaube eine wesentlich größere Rolle, als wir uns heute vorstellen können. Davon zeugt besonders die damalige Heiligen- und Reliquienverehrung, deren Entstehung und Bedeutung genau ausgeführt ist.

Das nächste große Kapitel handelt von der Einstellung zum Ich. Ländliche Hausgemeinschaften sind sehr eng und jeder muss seinen Teil dazu beitragen. Aus diesen Gründen gibt es, wie ausgeführt wird, komplett andere Regeln als jetzt, nach denen Kindheit, Ehe oder Sexualität im Frühmittelalter funktionieren. Auch die Klöster, die eine komplett andere Gemeinschaftsform bilden, werden exemplarisch dargestellt. Soweit möglich werden auch damalige Schriftsymbole der ungebildeten Bevölkerung und die gebräuchliche Gebärdensprache erklärt.

Als letzten Teil werden eher abstraktere Themen wie die Einstellung der Menschen zur Natur, die persönliche Zeiterfahrung, die Vorstellungen von der Welt an sich und der Astronomie erläutert. All diese Wissenschaften waren tief geprägt von der christlichen Vorstellung, dass der Mensch der Mittelpunkt des Universums und die Krone der Schöpfung sei. Deswegen ist es für einen aufgeklärten und wissenschaftlich denkenden Menschen der Gegenwart schwierig, die damaligen Motive und Sichtweisen nachzuvollziehen.
br>Im Denken vieler Menschen ist das Mittelalter eine durchgängig gleich bleibende Epoche, in der strahlende Ritter auf gepanzerten Rössern Minnelieder vor den Erkerfenstern junger Damen sangen. Die Gewissheit, dass man dieses Urteil nicht so pauschal fällen darf, dürfte sich allein schon beim Betrachten des beträchtlichen Zeitrahmens, den diese Epoche umfasst, einstellen. Besonders das Frühmittelalter war eine Zeit, die von Umbrüchen geprägt war. In ihm wurden die Grundsteine für die mittelalterliche Kultur gelegt. Und wie der Autor deutlich beweist, war diese Zeit mitnichten so dunkel und unwissend, wie sie es in der Vorstellung mancher Leser ist. Viele zeitgenössische Abbildungen zeugen von der Kunstfertigkeit und Kreativität der damaligen Menschen und verdeutlichen die dargestellten Sachverhalte.

Dieses Buch gibt dem Leser ein anschauliches und präsentes Bild davon, wie die Sichtweise der Menschen und ihre Umwelt im Frühmittelalter ausgesehen haben muss. Alltägliche Bereiche werden ebenso erwähnt und vertieft wie damalige Wissenschaften und Religionsvorstellungen. Ein großes Literaturverzeichnis gibt zudem Hilfestellung bei weiterführender Literatur, wenn sich der Leser noch tiefer in einzelne Bereiche vorarbeiten möchte.

Geschichtlich interessierte Leser werden viel Freude mit diesem gut aufbereiteten Sachbuch über das frühe Mittelalter haben. Die Texte sind interessant und leicht verständlich geschrieben und so manche Vorurteile gegenüber der Vergangenheit werden deutlich ausgeräumt.

Daniela Hanisch



Hardcover | Erschienen: 01. Januar 2007 | ISBN: 9783896785404 | Preis: 34,90 Euro | 207 Seiten | Sprache: Deutsch

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