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Er war Österreichs berühmtester Popmusik-Export und zweifelsohne einer der spektakulärsten wie eindrucksvollsten Musikkünstler der letzten Jahrzehnte, der wie kaum ein anderer eine ganze Musikgeneration geprägt hat. Hits wie "Der Kommissar" oder "Jeanny" machten ihn berühmt wie berüchtigt, sein Hang zu Alkohol und Drogen war ebenso legendär wie grundlegender Stoff seiner Musik und bis heute streiten viele Fans des Falken die Variante vom unglücklichen Autounfall ab, denn eine bestimmte Zeile seines posthum erschienenen Hits "Out of the Dark" ließe keine andere Auslegungsmöglichkeit als jene des Selbstmordes zu. Mit seinem nicht unumstrittenen, aber unbestritten mitreißenden Biopic "Falco - Verdammt, wir leben noch!" begibt sich Regisseur Thomas Roth auf eine faszinierende Spurensuche
Der Film erzählt in eindrucksvollen Bildern das einer Achterbahn gleichende Leben von Hans "Falco" Hölzel: von seiner Kindheit in Wien und seinem innigen Verhältnis zu seiner Mutter, von den ersten Erfolgen beim "Ersten Wiener Musiktheater" und dem aus der 68er-Bewegung hervorgetretenen "Drahdiwaberl", von seiner Entdeckung durch Markus Spiegel und der Geburt des Falken, der fortan rund um den Globus durch die Chartlisten segeln sollte. Der Spagat zwischen Extremkünstler und Familienvater, zwischen Bühne und Drogensumpf bildet stets den Grundtenor von Roths Werk und macht den fast schon schizoid anmutenden Charakter des österreichischen Ausnahmekünstlers, auf welchen Falco selbst in einem Interview hingewiesen hat, den gesamten Film durch greifbar: der in nicht gerade wohlhabende Verhältnissen hineingeborene, als einziger Überlebender von Drillingen zur Welt gekommene Mensch Johann "Hans" Hölzel auf der einen Seite - das stets in der Druckkammer des Musikbusiness zwischen Erfolg und Niederlage oszillierende Medienkonstrukt Falco auf der anderen.
Als Mitte 2007 Manuel Rubey, Sänger der österreichischen Band "Mondscheiner", als Darsteller des Falken vorgestellt wurde, wurde nicht gerade an Kritik gespart; Rubey würde an den immens hohen Erwartungen, die mit seiner Darstellung der Poptragödie verknüpft waren, ohne Zweifel scheitern müssen. Umso - positiv - überraschender, welche Performance in Roths Kniefall vor dem Extremmenschen Falco er an Tag gelegt hat. Mit Manuel Rubey ist dem Grazer Regisseur ein wahrer Kunstgriff gelungen, die schauspielerische Leistung Rubeys muss wirklich in höchsten Tönen gelobt werden. Gerade wenn er auf der Bühne steht und dem Publikum einheizt, wird der Zuschauer umgarnt von Rubeys Kunststück, den Falken auferstehen zu lassen. Doch auch abseits der Musik zeigt der Sänger von "Mondscheiner", was in ihm steckt: Die aufreibende Ehe mit Isabella Vitkovic, im Film wohl aus rechtlichen Gründen in Jacqueline A. umgetauft; seine Liebe zu Tochter Katharina Bianca, zu welcher Falco trotz negativen Vaterschaftstestes bedingungslos stand; die ständige Diskrepanz von Erfolg und Selbstzweifel, Höhenflügen und Abstürzen in den Abgrund von Alkohol und Tabletten; seine Arroganz und sein Genie - all das präsentiert der Hauptdarsteller in einem ausgewogenen Verhältnis von erschreckender Glaubwürdigkeit und fesselnder Schonungslosigkeit.
Nicht nur die Wahl Rubeys als Darsteller von Hans Hölzel entpuppte sich als echter Glückstreffer, auch hinsichtlich des übrigen Ensembles wurde größtenteils ein glückliches Händchen bewiesen: Nicholas Ofczarek als Falco-Entdecker Markus Spiegel und Susi Stach als Falcos Mutter Maria überzeugen ebenso in ihren Rollen wie die junge Michelle Riff in ihrem kurzen Auftritt als "Jeanny" im Videoclip zum gleichnamigen Skandalsong. Eine heikle Gratwanderung zwischen gelungener und Fehlbesetzung legt Christian Tramitz hin, während sich die Gastrolle von Ex-"Bond"-Girl Grace Jones als Zeugin von Falcos tödlichem Unfall als äußerst entbehrlich gestaltet.
Auch der Rest der Filmcrew hat - das liest man aus dem Film angenehm heraus - viel Energie und Zeit in Roths überzeugende Filmbiografie gesteckt. Kamera und Musik spielen äußerst gut mit der Darstellung der Schauspieler zusammen. Sehr gut kommt die Idee an, Teile der Originalmusikvideos mit Rubey als Falco neu zu drehen, auch wenn Rubeys Gesangstalent freilich nicht an die unvergleichliche Stimme des Falken heranreicht. Gänzlich frei von Ecken und Kanten ist der Film nicht. So ist etwa der größte Kritikpunkt, dass zeitweise die Darstellung der dunklen Seite Falcos unangenehm Überhand nimmt; zu sehr umweht das musikalische Unikat der Brodem von Kokain und Alkohol. Doch alles in allem darf der Film jedem Fan des Falken ans Herz gelegt werden.
Im Februar dieses Jahres hätte Hans Hölzel seinen 51. Geburtstag feiern sollen, stattdessen ließen ihn seine Fans anlässlich seines zehnten Todestages "Hoch wie nie" leben. Eine der schillerndsten Figuren der Popwelt ist heute unsterblicher denn je - so wie er selbst es einst nahezu prophetisch und sinnierend zugleich niederschrieb: "Muss ich denn sterben, um zu leben?" Mit seinem umwerfend gespielten Biopic schufen Thomas Roth und Manuel Rubey ein erschreckend authentisches Porträt eines Janus der Popwelt und eines Meisters des spektakulären Scheiterns - und tun nebenbei Denkmalpflege für einen der faszinierendsten Musikkünstler, den Österreich - ach was, Europa! Oder vielmehr die Welt! - in den letzten Jahrzehnten hatte.
Bild- und Tonqualität sowie Extras können nicht beurteilt werden, da es sich um eine Presse-DVD handelt, die von der Kaufversion abweichen kann.