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Depressionen sind schmerzhaft und qualvoll und rufen ungeheuer starke Gefühle der Scham, Wertlosigkeit und der Hoffnungslosigkeit hervor. Im schlimmsten Fall enden sie mit dem Tod - ganze zwei Drittel schwer depressiver Menschen denken an diesen letzten Schritt, ein kleiner Teil geht ihn. Depressionen sind weiterhin auf dem Vormarsch. Sind daran auch äußere Umstände nicht ganz unschuldig, so kann man doch selbst einiges tun, um Depressionen zu verhindern oder aufzulösen. Wie man diese üblen Stimmungen verändern und meistern kann, depressive Gefühle und Ängste reduziert und wieder zu mehr Lebensfreude und Selbstachtung kommt, vermittelt der amerikanische Psychiater David D. Burns in seinem Selbsthilfe-Buch "Feeling Good: Depressionen überwinden - Selbstachtung gewinnen", welches auf der kognitiven Verhaltenstherapie von Aaron T. Beck beruht. In dieser Therapie lernt man, wie man dem Denken eine neue Richtung geben kann.
David D. Burns gibt einen Überblick über die Theorie und Forschung zur Depression und stellt dann die praktischen Anwendungen vor. Hier vermittelt er Wissen und Methoden, um etwa den Hang "nichts zu tun" zu überwinden, mit Schuld, Scham und Wut angemessen umzugehen und selbst Kritik noch konstruktiv zu nutzen. Traurigkeit ist nicht gleich Depression. Worin unterscheiden sie sich? Dies ist Thema im nächsten Teil. Bestimmte Grundeinstellungen, wie etwa die Sucht nach Liebe oder ein Hang zum Perfektionismus, erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine Depression entwickelt. Im folgenden Kapitel geht es deshalb darum, diese Grundeinstellungen zu erkennen und zu ändern. Anschließend berichtet der Autor aus seinem eigenen beruflichen und privaten Alltag, wie er seine Methoden anwendet und sie ihm helfen, mit Belastungen fertig zu werden. Ein letzter Teil widmet sich der "Chemie der Stimmungen". Sind Depressionen genetisch bestimmt und können sie nur mit Psychopharmaka wirksam behandelt werden? Was sollte man über die am häufigsten verschriebenen Antidepressiva wissen? Das Buch schließt mit Anmerkungen und Literaturhinweisen und auch ein Personen- und ein Sachregister fehlen nicht.
Auf über 400 Seiten teilt der Autor seine Erkenntnisse mit, die aus seiner langjährigen klinischen Tätigkeit als Psychiater stammen und aus seiner Forschungstätigkeit zusammen mit Kollegen an der Stanford University School of Medicine. Das Buch erschien 2006 im Junfermann Verlag, die Originalausgabe bereits 1980 in den USA, wo sie sich schnell zum Bestseller entwickelte und bislang drei Millionen Mal verkauft wurde. In einer US-Studie, welche die Wirksamkeit von Selbsthilfebüchern untersuchte, belegt das Buch gar Platz eins unter tausend untersuchten Büchern. Zahlreiche Studien bestätigen die Wirksamkeit kognitiver Therapien. So berichtet eine davon, dass fünfzehn von neunzehn Patienten völlig von ihrer Depression genasen, nachdem sie ausschließlich mit kognitiver Therapie behandelt wurden. Bei Patienten, die mit Antidepressiva behandelt wurden, lag die Zahl der Genesenen bei fünf von fünfundzwanzig. Diese Zahlen machen Mut und geben Motivation, die vorgeschlagenen Übungen doch einmal selbst auszuprobieren. Dabei handelt es sich nicht um "Umprogrammierung", sondern man untersucht kritisch das eigene Denken. Gehört man allerdings zu denen, bei denen die Methode nicht wirkt, wird dies die Depression weiter verstärken. Aber der Autor weist ausdrücklich darauf hin, dass es Menschen gibt, bei denen diese Therapie nicht funktioniert oder nur in Kombination mit Psychotherapie oder Psychopharmaka. Doch so gut das Buch auch nachgewiesenermaßen sein mag, bei mittleren bis schweren Depressionen sollte man sich auf den Weg zum Fachmann machen. Dieser Punkt kommt etwas zu kurz in dem Werk. Nicht jede Übung ist für jeden geeignet und was, wenn hinter der Depression andere Ursachen schlummern, etwa eine Traumatisierung, und nicht nur "verqueres Denken"?
Das Buch ist ein Selbsthilfebuch und es ist ein Arbeitsbuch. Mag auch das Lesen schon zu einiger Erkenntnis führen, wirkliche Besserung wird erst das Anwenden der vorgeschlagenen Methoden bringen. Ein Gradmesser der Depression ist eine Depressions-Checkliste, die man regelmäßig ausfüllt und anhand der ermittelten Werte lassen sich Fortschritte ablesen. Ausführlich werden die verschiedenen Arten verzerrten Denkens beschrieben, die in der Regel zu Depressionen führen. Diese werden in einer Tabelle übersichtlich zusammengefasst und dann noch einmal an Beispielen geübt, um das Verständnis zu vertiefen. Sie machen deutlich, in welchen Bereichen und wie verzerrtes Denken sich zeigt. Wer kennt es nicht, mal etwas zu über- oder untertreiben, sich selbst und andere mit "du sollst" zu quälen, abzustempeln oder Schuld zuzuweisen. Nur wenn diese dysfunktionalen Denkweisen und Einstellungen unkontrolliert ihr Eigenleben führen, so hat dies offensichtlich fatale Folgen: die Depression schlägt zu. Sympathisch und überzeugend ist, dass der Autor anscheinend seine eigenen Methoden bei sich selbst gewinnbringend anwendet.
Das Kapitel über Hoffnungslosigkeit und Selbstmordgefährdung liefert gute Argumente, die auch hilfreich sind, wenn man im eigenen Umfeld selbstmordgefährdete Menschen hat. Es liefert einiges an Stichworten, die überzeugen: "Depression ist eine Krankheit und wird nicht mit dem Tod bestraft", so der Autor und er fragt: "Wer oder was bestimmt den Wert eines Menschen und sein Recht zu leben?". Dass es trotzdem nicht ganz einfach ist, mit diesem Thema umzugehen, davon zeugen die Auszüge aus den Klientengesprächen. Der Autor liefert viele Hintergrundinformationen und belegt diese durch die anschaulichen und zahlreichen Fälle aus seiner Praxis. Die Methoden sind gut beschrieben und übersichtlich dargestellt, am Ende jedes Kapitels befindet sich eine Zusammenfassung. Die Mustertabellen, etwa für den Tagesplan oder das Protokoll dysfunktionaler Gedanken, können leicht aus dem Buch kopiert werden.
Bei der Fülle an Werkzeugen und Instrumenten tut man gut daran, sich erst mal einen Überblick zu verschaffen und die eine oder andere Technik auszuprobieren. Das gleiche gilt auch für den Text. Auch hier empfiehlt es sich, ein Thema oder einen Problembereich herausgreifen, der einen besonders anspricht oder der gerade akut ist. Der Text selbst ließe sich sicher noch prägnanter formulieren und manche Sätze und Absätze muss man mehrmals lesen, bis man weiß, was denn jetzt gemeint ist. Gute Ärzte sind eben nicht immer auch gute Autoren - vielleicht liegt es auch an der Übersetzung aus dem Amerikanischen. Die Darstellung und Gliederung im Buch ist nicht immer ganz klar und optimal - da sind andere Bücher aus dem Verlag übersichtlicher. Jedoch schmälert dies den Gesamtnutzen des Buches nicht - deshalb trotzdem 5 Sterne.
Fazit: Viele interessante Anregungen und wirksame Methoden, die auch für Menschen hilfreich sind, die nicht an einer Depression erkrankt sind, sondern die ihre Lebensqualität verbessern, ihr Selbstwertgefühl stärken und ihrem dysfunktionalen Denken auf die Schliche kommen möchten. Es richtet sich an Betroffene und Angehörige, an Ärzte, Therapeuten und andere Menschen in sozialen und pflegerischen Berufen.