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Benjamin Tartouche freut sich über seine frisch entstandene Selbstständigkeit und über das Haus, das er von einer verstorbenen Tante geerbt hat. Doch er hat viel zu tun und für Freunde ist nicht viel Zeit, die Arbeit und die Renovierung des Hauses gehen vor. Trotzdem ist er glücklich mit dem, was er hat. Bis zu dem Tag, an dem sich alles ändern soll: Ein Brand zerstört sein komplettes Leben. Das gesamte Haus mit seiner Ausrüstung, allen Papieren und überhaupt allem, was er jemals besessen hat, fällt der Wut der Flammen zum Opfer. Doch noch hat Benjamin Tartouche Hoffnung, denn er hat kurz zuvor eine Versicherung abgeschlossen und glaubt nun, möglichst schnell entschädigt zu werden, da die Bank ihm bereits sein Konto gesperrt hat. Leider ist die Versicherungsgesellschaft nicht sehr einsichtig. Erst müsse ein Gutachten her, der Chef sei in Urlaub und überhaupt verzögert sich alles, so leid es ihnen auch tut ...
Dem jungen Mann bleibt nichts anderes übrig, als unter freiem Himmel zu schlafen und darauf zu hoffen, dass sein Fall baldmöglichst bearbeitet wird. Während der Wartezeit wird er jedoch immer ungepflegter und zählt sich selbst schon bald zu den zahlreichen Obdachlosen, die an einer Straßenecke schlafen und in Mülltonnen nach etwas Essbarem suchen. Eines Abends geschieht dann das Unglück: Benjamin wird von einem Auto angefahren und stirbt. Ausgerechnet der Chef der Versicherungsagentur ist es, der ihn auf dem Gewissen hat, allerdings begeht er Fahrerflucht. Benjamin findet sich jedoch nach einer kurzen Exkursion zu einem Beamten in einer Zwischenwelt, die wir wohl Fegefeuer nennen würden, wieder auf der Erde ein. Als Geist. Als Gewissen. Als kleine Stimme, die zu den Menschen spricht und und sie im Unterbewusstsein anleitet. Benjamins Aufgabe ist es, den einen Menschen zu finden, den nur er ändern kann. Dann darf er den Fahrstuhl nach oben (in den Himmel?) benutzen. Ansonsten muss er nach unten (in die Hölle?) fahren, ohne zu wissen, was ihn dort erwartet. So nimmt Benjamin Tartouche auf ungewöhnliche Weise sein eigenes Schicksal in die Hand.
Dieser Comic ist etwas für Genießer. Etwas für Menschen, die sich die Zeit nehmen, in jedem einzelnen Bild zu versinken, in die Erlebniswelt von Benjamin Tartouche einzutauchen und mitzuerleben, was in seinem Leben (und seinem Tod) vor sich geht. Es ist eine kleine, aber tiefgründige Geschichte, die hier erzählt wird. Man leidet regelrecht mit Benjamin und regt sich über die auf, die ihm Böses wollen und das einfach nur, um selbst immer weiter die Karriereleiter zu erklimmen.
Die Bilder sind eher einfach gehalten und konzentrieren sich auf das Wesentliche. Jedes Panel zeigt dem Leser einen ganz besonderen Abschnitt in Benjamins Sein und gibt tiefe Einblicke in sein Gefühlsleben. Alles ist in bräunlichen Tönen gehalten, was gut zur getragenen, aber poetischen Stimmung der Geschichte passt. In dem Moment, wo Benjamin als eine Art Geist auf die Erde zurückkehrt, sind er und seinesgleichen allerdings ausschließlich in Schwarzweiß zu sehen. Das symbolisiert nicht nur, dass sie nun nicht mehr materiell existieren, sondern macht die "Geister" auch leicht erkennbar.
Insgesamt kommt der Comic ohne viel Sprache aus. Es gibt nur einzelne Dialoge und einige flammende Reden, die einen etwas größeren Umfang haben. Ansonsten sind es eher kleinere Einwürfe oder sogar mehrere Seiten, die komplett ohne Sprechblasen auskommen. Kleinigkeiten in der Umgebung oder besonders auch in der Mimik der Personen sagen oft viel mehr, als es die berühmten tausend Worte könnten.
"Fegefeuer" berührt, regt zum Nachdenken an und nimmt den Leser mit auf eine Reise zu sich selbst. Der Comic lässt ihn auf eine poetische und ruhige Wiese das entdecken, was im Leben wichtig ist. Dabei gibt es durchaus einige humorvolle Momente, zum Beispiel solche, in denen berühmte Persönlichkeiten als "Geister" auftauchen oder solche, die das vermeintliche Fegefeuer zeigen. Insgesamt ist der Comic aber eher von einer gewissen Melancholie durchzogen.
Man muss bereit sein, sich intensiv auf die Geschichte einzulassen und sich in sie "hinein zu fühlen", dann wird man mit einer äußerst emotionalen und berührenden Erzählung belohnt, die einen lange in Gedanken begleiten wird.