Der besondere Reiz von Straßenfotografie liegt häufig im Ausdruck des Spontanen, Unvermittelten, Authentischen. Gerade für das ungeschulte Auge können die stärksten Aufnahmen wirken, als habe eben mal jemand fast schon aus Versehen den Auslöseknopf an seiner Kamera betätigt und dabei mehr oder weniger zufällig ein faszinierendes Stück mitten aus dem Leben des Alltags ins Bild gebannt. Aus diesem Eindruck kann der Trugschluss entstehen, dass wildes Geknipse beim Stadtbummel auf Dauer zu großen Erfolgen führen müsse – und für Hobbyfotografen eine Menge an Frust, wenn sich die erhofften Ergebnisse einfach nicht einstellen wollen.
Straßenfotografie erfordert mitunter die Gunst des Zufalls, denn interessante Szenen oder skurrile Motive, die aus dem Fluss des öffentlichen Lebens gegriffen sind, lassen sich nicht planen. Straßenfotografie erfordert aber auch ein geschultes Auge, um diese Momente blitzschnell wahrzunehmen. Und sie erfordert technisches Know-how, um sie in einem gelungenen Bild festzuhalten. Schließlich gilt es auch noch, nicht nur die besondere Stimmung eines Ortes oder einer Situation durch die Gestaltung zu unterstreichen, sondern gegebenenfalls sogar noch einen eigenen, ganz persönlichen Stil zu entwickeln.
Wer nicht nur auf einen glorreichen Schnappschuss hoffen und dabei etliche langweilige oder misslungene Bilder produzieren will, der kann sich mit dem "Fotokurs Straßenfotografie" aus dem dpunkt Verlag eingehend mit diesem Genre beschäftigen.
Die Fotodesignerin und -journalistin Meike Fischer und ihr Co-Autor Rudolf Krahm geben in zehn reich bebilderten Kapiteln Anregungen und Praxistipps für die Straßenfotografie. Nach einer allgemeinen Einleitung widmet sich das zweite Kapitel der idealen Ausrüstung. Diese richtet sich nämlich nach besonderen Anforderungen, schließlich ist es beim unauffälligen Festhalten möglichst unverstellter Momente wichtig, eine möglichst kleine und geräuscharme Kamera zu besitzen. Das vierte Kapitel führt in Kurzfassung an die ersten Schritte als Street Photographer heran, die von der Wahl des Settings bis zu Gedanken im Hinblick auf die Nachbearbeitung reichen. Kapitel drei beschäftigt sich mit technischen Grundlagen, deren Beachtung für jede Art der Fotografie unumgänglich ist: Belichtung, Tonwerte, Bildschärfe et cetera. Im fünften Kapitel geht es beim Thema Bildgestaltung vor allem um Aspekte, die in der Straßenfotografie besonders zum Tragen kommen, zum Beispiel um die Vermeidung oder auch die gezielte Erzeugung von stürzenden Linien bei der Aufnahme von Gebäuden, um die Inszenierung ungewöhnlicher Größenverhältnisse und Perspektiven und die Visualisierung von Bewegung. Das sechste Kapitel zielt auf den virtuosen Umgang mit unterschiedlichen gegebenen Lichtsituationen. Ein eigenes Kapitel zur Nacht- und Restlichtfotografie vertieft das Thema noch weiter. Das achte Kapitel gibt Tipps zum Erarbeiten von Serien und fotografischen Essays, von der konzeptuellen Vorarbeit bis zur Edition. Im Kapitel "Der besondere Look" erfährt der Leser, wie mit einigen kleinen Finessen der Bildbearbeitung besondere Effekte aus einzelnen Fotos herausgekitzelt werden können. Einem Thema, mit dem man speziell beim Fotografieren fremder Menschen im öffentlichen Raum ein wenig vertraut sein sollte, wendet sich schließlich noch das zehnte Kapitel zu: Hier geht es um einige Basisinformationen zum Bildrecht.

Der "Fotokurs Straßenfotografie" richtet sich vor allem an Hobbyfotografen, die die Grundlagen des Fotografierens noch nicht aus dem Effeff beherrschen und sich das erste Mal systematisch mit dem Thema Street Photography auseinandersetzen wollen. Für diese bietet das Buch einen guten Einstieg, und insbesondere die konkreten Trainingsaufgaben, die sich an die einzelnen Kapitel anschließen (zum Beispiel zum Thema "Menschen um ein Porträt bitten"), können helfen, den Schritt vom Interesse zur systematischen Praxis der Straßenfotografie zu wagen. Den Ansprüchen erfahrenerer Fotografen, die sich auch schon ein wenig mit Straßenfotografie beschäftigt und bereits eigene Erfahrungen gesammelt haben, wird der "Fotokurs Straßenfotografie" allerdings nicht genügen. Dafür bleiben die Theoriekapitel zu allgemein und gehen nicht genügend in die Tiefe und die Bildbeispiele sind etwas zu brav. Dem gelegentlichen Hobbyfotografen kann aber genau das helfen, erst einmal die eigene Scheu abzulegen und selbst loszulegen, ohne gleich in Ehrfurcht zu erstarren.

Fazit: Ein schöner Einstieg in die Praxis der Straßenfotografie – zu empfehlen allerdings wirklich nur für Einsteiger!

Leseproben gibt es auf der Verlagsseite.