Traditionell sind Handarbeiten aller Art, ob Herstellung von Fäden und Geweben oder deren Verarbeitung, eine Domäne der Frauen. Die Männer stellten die Rohstoffe zur Verfügung und bestimmten nicht selten Muster, Schnitte und andere Vorgaben. Eine ständig sinnvoll beschäftigte Frau galt als weniger verführbar und somit tugendsamer als eine Frau mit Muße.
Diese Tradition hat zu fast allen Zeiten Eingang in die bildende Kunst gefunden. Anders als im Untertitel angegeben, werden in diesem Buch nicht nur Werke ab Rubens präsentiert, sondern auch manche gotische Kostbarkeit.

Das Buch befasst sich mit folgenden Kategorien handarbeitender Frauen und von ihnen handelnder Bilder: mythische Figuren wie die Parzen und Odysseus’ treue Frau Penelope; weibliche Heilige, die natürlich ganz besonders dem Ideal der sittsamen Frau entsprechen; handarbeitende Frauen aus verschiedenen Ständen und Schichten und ihre jeweilige Motivation; als spezieller Fall hieraus die armen Näherinnen und Waisen, die sich mit blutenden Fingern ihr karges tägliches Brot durch Handarbeit verdienten; Unterbrechung der typisch weiblichen Arbeiten als Ausgangspunkt für unsittliches Verhalten; und schließlich ein kurzes Kapitel über handarbeitende Männer, wobei dem Mythos um Herkules und Omphale besondere Bedeutung zukommt.
Ein Aufsatz am Ende des Buchs betrachtet kulturhistorische Hintergründe der Handarbeiten.

Die einzelnen Abschnitte enthalten Kunstwerke aus unterschiedlichen Epochen mit zum Thema passenden Motiven. Frauen am Spinnrad oder am Spinnrocken, Frauen am Webstuhl, Frauen mit Strickereien oder Stickrahmen, nähende oder klöppelnde Frauen: Sie alle unterwerfen sich, ob sie sich dessen bewusst sind oder nicht, einer Tradition, der die Sorge um die Tugend der angeblich allzu leicht verführbaren Frau zugrunde liegt. Die vielen Mariendarstellungen mit Spinnutensilien tragen diesem Umstand ebenso Rechnung wie Bilder von fleißigen, wohlhabenden Bürgerinnen, kleinen, adretten Bauerntöchtern und adligen Damen mit verschiedenen Handarbeitsmaterialien. Unter den Letztgenannten sticht vielleicht das Selbstbildnis der Erzherzogin Maria Christina von Österreich heraus, die, wie man im Begleittext zum Bild lesen kann, durch das Aufnehmen einer quer durch alle Schichten verbreiteten Tätigkeit dem Geist der Aufklärung huldigte.
Die Künstlerinnen und Künstler verleihen ihren Heldinnen stets Würde, sofern sie sie als sittsame Handarbeiterinnen darstellen - doch wehe jenen, die den Faden verlieren! Die entsprechenden Andeutungen in den Bildern werden durch die Texte bestens erläutert.
Jeder Darstellung ist eine Doppelseite gewidmet mit einem ganzseitigen Bild und einem detaillierten Text auf der gegenüberliegenden Seite. Ist der Maler weniger bekannt oder spielt seine Herkunft eine Rolle beim Verständnis des Kunstwerks, so geht der Autor darauf ein, ansonsten konzentriert er sich auf die Aussage des Bildes und die Bildelemente, die diese Aussage zusammenstellen. Dank dieser Erläuterungen entdeckt der Leser manches erstaunliche Detail und lernt, Zusammenhänge herzustellen. Der Autor beschreibt die Kunstwerke im Übrigen bei aller Sachlichkeit sehr charmant, sodass sich die Texte kurzweilig und durchaus spannend lesen lassen.
Besonders reizvoll ist der abwechslungsreiche Reigen von Gemälden aus etlichen Epochen, der zwar tendenziell Entwicklungen beinhaltet, jedoch vor allem aufzuzeigen weiß, dass sich das Frauenbild über viele Jahrhunderte nicht wesentlich änderte.
Die Qualität der Abbildungen überzeugt; die Aufmachung ist schlicht und ansprechend. Für knapp 25 Euro erhält der Käufer ein rundum hochwertiges Buch. Somit präsentiert der Verlag ein weiteres höchst gelungenes Werk über Frauen und das Verhältnis zwischen Frauen und Männern, das sicher nicht nur Frauen begeistert lesen und ansehen werden.