Gesamt |
|
Anspruch | |
Aufmachung | |
Brutalität | |
Gefühl | |
Humor | |
Preis - Leistungs - Verhältnis | |
Spannung | |
Ton | |
Kommissar Maigret gehört zu den beliebtesten Ermittlern der Krimi-Geschichte. Die Romane und Erzählungen um die kauzige Figur sind nicht nur spannend verfasst, sondern auch mit Humor, Menschlichkeit und häufig einer gewissen Melancholie gewürzt.
Im vorliegenden Hörbuch findet man fünf Erzählungen, in denen Maigret ermittelt: "Morddrohungen", "Maigret und Mademoiselle Berthe", "Stern des Nordens", "Der Mann auf der Straße" und "Der Kahn mit den beiden Erhängten".
Maigret trifft in diesen Geschichten mit ganz unterschiedlichen Menschen zusammen, so in "Morddrohungen" mit einem steinreichen, aber extrem geizigen Familienoberhaupt, das seine ganze Familie terrorisiert und dann, wie der Titel schon verrät, eine Morddrohung erhält. Auch Mademoiselle Berthe wird offensichtlich bedroht – von ihrem Liebhaber, der in einen Mord verwickelt ist – und wendet sich verzweifelt an den seit Kurzem im Ruhestand befindlichen Maigret.
In "Stern des Nordens" gibt es keine Morddrohung; diese Geschichte beginnt mit einem handfesten Mord und präsentiert auch gleich eine Hauptverdächtige, ein trotziges junges Mädchen, das sich Maigrets Verhörmethoden raffiniert und hartnäckig widersetzt.
Der "Mann auf der Straße" macht sich verdächtig, weil er sich am Schauplatz eines Mordes sehen lässt. Maigret folgt ihm tage- und nächtelang auf Schritt und Tritt durch Pariser Kneipen und Bars, um ihn zu zermürben, denn einen rechtmäßigen Verhaftungsgrund gibt es nicht.
"Mord oder Selbstmord?" lautet die Frage, als an einer Schleuse ein Kahn mit zwei Erhängten in der gleichnamigen Erzählung gefunden wird. Und auch hier begegnet Maigret ein wichtiger Zeuge, der nicht aussagen will. Kein Wunder, geht es doch um viel Geld, das einem der Erhängten gehörte.
Georges Simenons Kriminalerzählungen, auch die in diesem Hörbuch versammelten fünf Geschichten, tun sich nicht durch extreme Blutrünstigkeit oder rasante Plots hervor. Im Gegenteil, es geht in ihnen verhältnismäßig ruhig zu. An Spannung fehlt es jedoch nicht, nur wird diese vorwiegend auf psychologischer Ebene ausgetragen. Simenons Protagonisten entspringen einer ausgezeichneten Beobachtungsgabe, und die jeweiligen Plots sind abwechslungsreich gestaltet. Mit Maigret rätselt man über die ihm präsentierten Persönlichkeiten, die auf den ersten Blick völlig widersprüchlich wirken; erst mit der Zeit tritt ein etwas klareres Bild hervor. Und dann erfolgt natürlich doch eine unerwartete Wendung hin zur Auflösung.
Bei weitem nicht jeder Romancier ist ein guter Kurzgeschichtenautor, und das gilt auch für den Kriminalroman. Simenon versteht sich auf beide Genres, auch wenn nach Ansicht der Rezensentin die Romane noch ein wenig hochwertiger sind. Die fünf Erzählungen im Diogenes-Hörbuch bieten definitiv kurzweilige und ausgesprochen tiefgründige Unterhaltung.
Das Hörbuch besteht aus vier CDs, die einzeln in Kunststoffhalterungen untergebracht sind, welche wiederum im Innern des aufklappbaren Karton-Einbandes befestigt wurden. Dieser enthält anstelle eines Booklets alle wesentlichen Informationen zum Hörbuch.
Die erste Erzählung wird von Friedhelm Ptok vorgelesen, die zweite von Gert Heidenreich; der Sprecher der restlichen drei Geschichten ist Edgar M. Böhlke. Alle drei verstehen es, die Stimmung in den Erzählungen ausgezeichnet wiederzugeben, Spannungsbögen nachzuvollziehen, ohne je auf billige Effekthascherei zurückzugreifen, und so dem Hörer nicht nur Handlung und Charaktere nahezubringen, sondern in ihm auch Bilder von Orten und Figuren entstehen zu lassen.
Die Sprecher machen diese Hörbuch-Edition somit zu einer ausgezeichneten Alternative zur Print-Version. Und da auch die Erzählungen an sich gelungen sind, kann dieses Hörbuch in jeder Hinsicht empfohlen werden.