Dieses Buch ist seit seinem Erscheinen zu so etwas wie einem Klassiker avanciert. Zu Recht, muss man sagen. Rico gilt als die Begründerin der Cluster-Methode. Und vieles, was danach zu Clustern veröffentlicht wurde, hat die Qualität dieses Buches nicht erreicht.
Ein Cluster ist ein Begriffs- und Ideennetz, das - ähnlich der Mind-Map - ohne große Anstrengung aufgezeichnet wird. Im Mittelpunkt steht eine Kernidee oder ein Kernbegriff. Alle darum herumliegenden Ideen und Begriffe bilden "Konkretisierungen".
In zwölf Kapiteln führt Rico ihre Ideen aus. Sie stellt das Clustering als zentrale Methode im zweiten Kapitel vor. Immer wieder kommt sie darauf zurück. Das erste Kapitel ist dem Autor in uns gewidmet: jeder Mensch, so Rico, kann schreiben. Die Qualität des Schreibens läge in der Verbindung zwischen visuellem Denken und begrifflichem Denken. Da jeder Mensch beides kann, gilt es hier, diese Verbindung auf vielfältige Weise zu pflegen. Durch dieses Wechselspiel könnten wir dann den Autor in uns wachsen lassen und seine Fähigkeiten differenzieren. Dass dahinter eine fundierte Theorie steckt, führt die Autorin im vierten Kapitel aus. Dass wir diese Theorie schon einmal praktisch "gekonnt" haben, zeigt das dritte Kapitel: unsere Kindheitsmuster seien stark von der Verbindung zwischen Bildern und Begriffen geprägt. Und gleichzeitig fordert unsere begrifflich geprägte Kultur eine deutliche Einseitigkeit. Das Visuelle geht verloren und damit die individuelle Ausdruckskraft.
Clustering bildet für Rico allerdings immer nur einen Zwischenschritt. Er ist enorm wichtig, aber nie als Endprodukt zu verstehen. Fast jede Übung beginnt zwar mit einem Cluster, endet aber mit einem Text. Diese Texte und einzelne ihrer Elemente sind Inhalt des fünften bis neunten Kapitels. Dabei häufen sich in diesen Kapiteln Wörter, die zum Übersetzen gehören. Nichts anderes ist das Clustern: eine Übersetzung. Nicht in eine andere Sprache, sondern in eine andere Form. Und nichts anderes sind die Texte, die aus den Clustern entstehen: wiederum Übersetzungen. Das ist vielleicht das Schönste an Ricos Buch. In dieser Ruhe, mit der sie das Umarbeiten, Umformen und Übersetzen vermittelt, wird aus dem kreativen Prozess tatsächlich ein Prozess, in dem jedes Zwischenprodukt, jedes Cluster, jedes Gedicht zu einem Spiel mit dem Sinn und den Sinnen wird. Wo andere Bücher wort- und zitatreich den kreativen Prozess beschwören, führt Rico mit vielen kleinen, liebevollen Anekdoten und Beispielen zu den Experimenten, die wieder und wieder Neues entdecken.
Voreilige - meist überhebliche - Genialität ist dem kreativen Prozess fremd. Dies wird in den letzten drei Kapiteln spürbar. Der kreative Prozess gleitet entlang von Spannungslinien und Herausforderungen weiter; er tritt mit allem in einen Dialog, insofern dieser Dialog neue Impulse zu geben vermag; und der kreative Prozess überarbeitet sich selbst.
"Garantiert schreiben lernen" ist wirklich ein Klassiker. Es hat die Cluster-Methode populär gemacht und damit leider die eigentliche Leistung von Rico verdeckt: das Hin und Her von Zerstreuen und Konzentrieren lieben zu lernen; zu lernen, dass das stetige Umformen einen individuellen Ausdruck ermöglicht und die wache Neugier entfesselt. Wie jedes Arbeitsbuch ist auch dieses Buch nur durch eine längere, intensive Beschäftigung sinnvoll. Wer es sich kauft, sollte das einplanen. Er wird nicht enttäuscht werden.