Gesamt |
|
Anspruch | |
Aufmachung | |
Preis - Leistungs - Verhältnis | |
Die Mythos "H.P. Lovecraft" gründet sich nicht nur auf seine Geschichten, in denen er das Genre des Horrors völlig neu definierte, sondern auch auf seinem Leben selbst. "Der Einsiedler von Providence" wird er immer noch genannt. Mit den meisten seiner Freunde verkehrte Lovecraft, der von 1890 bis 1937 lebte, nur schriftlich, viele bekamen ihn nie zu Gesicht. Sein Leistungspensum war enorm, alleine die Zahl und der Umfang seiner Briefe ist unglaublich. Er verbrachte die meiste Zeit seines Lebens in seiner Heimaststadt Providence, Rhode Island, wo er zusammen mit zwei Tanten in einem Haus lebte. Er mochte Katzen und konnte Unmengen von Eiscreme verspeisen. Menschen, die ihm begegnet sind, erinnerten sich an ihn als den perfekten Gentleman. Er lebte so, wie er es in den Büchern seines Großvaters gelesen hatte: Wie ein Mensch des neunzehnten Jahrhunderts, doch um ihn herum war diese Zeit längst vorbei.
Allein diese wenigen Details aus seinem Leben reichen aus, um ihn auf Grund seiner "Andersartigkeit" zu einem Paradebeispiel für eine Künstlerbiografie zu machen. Tatsächlich sind einige davon über Lovecraft geschrieben worden, doch die wohl bekannteste ist die seines Bewunderers Lyon Sprague de Camp.
Dieser hat sein Idol nie persönlich kennen gelernt, wie im Vorwort des umfangreichen Bandes erklärt wird, welches im August 1974 verfasst wurde. Ursprünglich war es das Vorhaben von August Derleths, Lovecrafts inoffiziellem Erben, gewesen, die Biografie zu schreiben. Doch Derleth verstarb 1971 bevor er dieses Projekt in Angriff nehmen konnte. Da de Camp im Besitz zahlreicher Briefe Lovecrafts war, nahm er sich dieser Aufgabe an.
Das Buch ist in neunzehn Kapitel unterteilt, die sich in chronologischer Reihenfolge je einem Schwerpunkt im Leben Lovecrafts widmen. Über Quellenprobleme kann de Camp - im Gegensatz zu vielen anderen Biografen - nicht klagen, liefern Lovecrafts Briefe doch eine nicht enden wollende Fülle an Details über das Leben des Mannes aus Providence. So kann man hier schon fast von einer Autobiografie sprechen, die von einem Ghostwriter in einen zusammenhängenden Kontext gebracht wurde. Zudem sind am Ende jedes Kapitels die entsprechenden Quellenangaben in Fußnotenform zu finden.
De Camp schreibt sachlich, dennoch fällt es dem Leser sehr schwer, sich von der faszinierenden Lebensgeschichte Lovecrafts loszureißen. Regelmäßig ist der Text von umfangreichen Ausschnitten aus seinen Briefen unterbrochen, was dem Eindruck weitere Nahrung verschafft, Lovecraft selbst hätte die Erstellung der Biografie überwacht. Auch an der deutschen Übersetzung lässt sich nichts bemängeln, zählt Andreas Diesel doch mittlerweile zu den Cthulhu-geprüften Stammübersetzers des Festa-Verlags.
Natürlich muss man bedenken, dass diese Biografie mittlerweile über dreißig Jahre auf dem Buckel hat und daher nach den Normen der 70er Jahre bewertet werden muss. Es ist daher zu empfehlen, die Lektüre durch aktuellere biografische Literatur über Lovecraft zu ergänzen, wie sie beispielsweise mit "Der Einsiedler von Providence" im Suhrkamp-Verlag erschien, wenngleich diese derzeit nicht im Druck ist.
"H.P. Lovecraft - Eine Biografie" ist ein enormes Werk - in jederlei Hinsicht. Für Fans des großen Meisters kosmischen Horrors stellt es - auf Grund ihres Alters am Besten in Kombination mit dem Suhrkamp-Band "Der Einsiedler von Providence" - die ultimative Lebens- und Charakterbeschreibung ihres großen Idols dar. Menschen, die sich erst langsam an Lovecraft herantasten wollen, sollten sich allerdings erst mit ein paar seiner Geschichten auseinandersetzen. Bleibt die Faszination für den Mann aus Providence bestehen, kann man ihnen nur dazu raten, auch einen Blick in diese Biografie zu werfen. Dem Festa-Verlag gebührt zumindest Dank dafür, ein derart wichtiges Werk auch den deutschsprachigen Lovecraft-Fans verfügbar gemacht zu haben.