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1979 war die große Zeit der Hippies eigentlich schon Vergangenheit, der Sommer der Liebe schon in Marihuanadüften vergangen. In diesem Jahr kam ein Film von Milos Forman heraus, der diese Zeit noch einmal feierte, die Zeit mitsamt ihrer Respektlosigkeit, ihrem Idealismus und auch ihrer Musik. Forman hatte ein damals schon erfolgreiches Musical verfilmt, dessen Titel im englischen viel schöner klingt, als das deutsche "Haare": "Hair"!
Der junge Claude Bukowski, ein völliges Landei, kommt nach New York, will den Big Apple einmal besichtigen, bevor er eingezogen und nach Vietnam geschickt wird. Doch der junge Cowboy trifft in der Stadt auf seltsame Menschen, die ihm ganz neue Erfahrungen vermitteln können. Nachdem er sich in eine vorbeireitende Tochter reicher Eltern verliebt hat, trifft er auf Berger, Hud, Jeannie und Woof, Leuten in seinem Alter, die auf der Straße leben - Hippies. Sie bringen ihm die ersten Drogenerfahrungen und mit dem Großmaul Berger gehen sie alle zusammen zu einer Gartenparty von Sheilas Eltern - Sheila ist die eben noch vorbeigerittene Tochter.
Nachdem Berger dort auf dem Tisch tanzt, landen sie direkt im Gefängnis, und weil sie keine viertausend Mark eingezogen haben, können sie die Strafe für ihr Benehmen nicht bezahlen. Claude hat genug Geld für sich mit, vertraut dieses Geld aber Berger an, damit der mehr Geld auftreiben kann, und sie aus dem Gefängnis holt. Im Gefängnis will man Hud seine Haare abschneiden, was ihn motiviert, das Titellied zu singen.
Das ist schon so eine Sache mit Filmmusicals, Leute, die eben noch friedlich durch den Central Park schlenderten, fangen plötzlich an, in wilde Ausdruckstanzverrenkungen zu verfallen. Ein Hauptdarsteller wie Berger kann auch im schnellsten Sprint und heftigsten Tanz noch völlig befreit und aus ganzer Kehle ein Lied schmettern. Und überall setzt rein zufällig eine gutaufgelegte Rockband im Hintergrund ein - das kann man alles für völlig meschugge halten, und wenn man das tut, dann sollte man diesen Film nicht sehen, ganz einfache Sache. Aber wer das akzeptieren kann - und wir akzeptieren ja auch, dass Superman fliegen kann - der kann mit Hair jede Menge Spaß haben.
Im Gegensatz zu dem zu Grunde liegenden Musical hat der Film erst mal eine halbwegs brauchbare Geschichte. Die ist bei der Bühnenversion noch viel dürftiger. Dann hat er Musik, und was für welche, kaum ein Stück aus diesem Soundtrack ist kein Ohrwurm. "Aquarius" und "Let the Sunshine in sind Hymnen, aber auch "Hair, "I got Life oder "Good morning Starshine sind unvergesslich. Und wer Tanz mag, ist auch gut aufgehoben, denn die Choreographien waren damals sensationell und machen auch heute noch Spaß, auch wenn manchmal das eine oder andere unfreiwillig komisch aussieht.
Die Schauspieler machen ihre Sache gut, speziell Treat Williams als Berger ist ein dermaßen charmantes Schlitzohr, dass man ihn lieben muss. John Savage als viel ruhigerer Claude ist ein guter Kontrapunkt. Mit seiner Inszenierung lässt sich Milos Forman nie darauf ein, nur ein Musical abzufilmen oder mit aller Macht einen überkitschigen Zuckerblick auf die Hippies zu werfen. Er zeigt auch ihre Schwächen, zeigt ihren Humor und ihre Kämpfe.
"Hair" ist viel eher ein Kultfilm als ein Meisterwerk. Dieser Film feiert eine Bewegung und eine Zeit, feiert aber auch die Freiheit und macht sich über das Militär mit einer Träne lustig. Das ist eine ganze Menge für einen Film, und die Musik tut ihr übriges - so muss man diesen Film jedem empfehlen, der kein Spießer ist, Musik mag und Flower Power so ein bisschen in seinem Herzen trägt.