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Das Gehirn ist zweifellos das komplexeste, raffinierteste und faszinierendste Organ des Menschen. Mit „Hirnforschung für Neu(ro)gierige - Braintertainment 2.0“ sprechen die Herausgeber Manfred Spitzer und Wulf Bertram nun zum zweiten Mal all jene an, die sich einerseits brennend für neurologische Erkenntnisse und Vorgänge – Neu(ro)gierige eben - interessieren, die aber andererseits die Informationen gerne in halbwegs verständlicher Form aufbereitet haben möchten, auch ohne ein entsprechendes Studium abgeschlossen zu haben.
Insgesamt 27 Autoren konnten für diese Anthologie gewonnen werden, herausgekommen sind 23 Essays und ein Nachwort. Die wissenschaftlichen Texte stellen einen sehr vielseitigen Streifzug durch die Welt der Hirnforschung dar; der rote Faden ist eigentlich nur das weite Feld Gehirn, die einzelnen Themen sind sehr unterschiedlich und präsentieren unterschiedlichste Erkenntnisse und Fragestellungen. So findet sich beispielsweise Historisches mit „Sezierer und Sektierer – Die antiken Hauptdarsteller der Hirnforschung“, Liebliches mit „Die Liebe im Kopf – Über Partnerwahl, Bindung und Blindheit“ oder „Ain’t no sunshine when she’s gone – Wie Bindung das Gehirn verändert“, Religiöses mit „Glaubst Du noch oder denkst Du schon? Moderne Hirnforschung und religiöse Gefühle“ und Mediales mit „Vom Gehirn im Tank zum Geist aus der Maschine – Zur Repräsentation des Gehirns im fiktionalen Film“ oder „Dichter als Kranionauten – Gehirne im Meer der Literatur“.
Es findet sich in den 23 Streifzügen durch verschiedenste Bereiche, die aber alle etwas mit dem Thema Gehirn zu tun haben, mit Sicherheit für jeden Leser das Passende. Ob zur Funktion von Spiegelneuronen oder zur Funktion von Träumen, zum Geschehen bei Ekel oder bei Liebe, zu Märchen und Schauermärchen in der Hirnforschung oder zum Dauerbrenner Gedankenlesen – jeder Essay behandelt einen recht alltäglichen Aspekt und versucht Fragen zu beantworten, von denen man sich mit ziemlicher Sicherheit die eine oder andere irgendwann einmal gestellt hat. Jedem Essay ist eine Literaturliste angeschlossen; einige sind mit Schaubildern, Zeichnungen oder Fotos illustriert.
Reines Entertainment - oder eher Braintertainment - also? Jein. Das Buch verspricht zumindest, wenn es für Spaß und Unterhaltung und mit „bekannten Satirikern und Kabarettisten“ wirbt, die hier zu Wort kommen, ein wenig zu viel. Ingesamt kommen ganze zwei Autoren aus der Ecke Kabarett & Satire - zum einen Vince Ebert, zum anderen der gerade sehr populäre Eckart von Hirschhausen, der im Nachwort gewohnt respektlos und sehr komisch über die hier versammelten Werke nachsinnt. Auch der Aufdruck „Wie funktioniert unser Hirn – und wenn ja, warum?“ reitet ganz offensichtlich auf der Welle von „Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?“ mit. Titel und Klappentext sind also zumindest für diejenigen Leser etwas unglücklich gewählt, die zwar wissenschaftliche Infos, vorrangig aber Skurriles oder sogar Spaßiges aus der Welt der Hirnforschung erwarten. Dafür geht diese Anthologie einfach zu sehr in die Tiefe. Mal eben am Strand oder im Zug lesen, wie der Aufdruck auf dem Buchrücken verspricht, bietet sich also nur für recht ambitionierte Leser an, die sogar beim Faulenzen am Strand viel geistigen Input benötigen.
Wer aber wirklich neu(ro)gierig ist und gerne wissenschaftliche und durchaus anspruchsvolle Einblicke in dieses faszinierende Forschungsgebiet haben möchte – und sich zugleich noch einen guten Überblick über den aktuellen Stand der Hirnforschung verschaffen will -, für den gilt: Alle Artikel sind gut verständlich und anschaulich geschrieben und damit wesentlich eingängiger als einschlägige Fachliteratur. Information und Unterhaltung sind hier gelungen unter einen Hut, oder besser gesagt zwischen zwei Buchdeckel, gebracht worden und verblüffen immer wieder. Durch die breite Themenwahl ermöglicht das Buch auch, dass man mal hier, mal dort hinein schaut, sich mal diesen, mal jenen Essay durchliest und sich einfach das herauspickt, was zurzeit am meisten interessiert.
Fazit: Auch „Hirnforschung für Neu(ro)gierige“ verspricht wieder einen gelungenen und äußerst faszinierenden Einblick in die Welt der Hirnforschung. Ganz so populärwissenschaftlich und lustig, wie das Buch mit seiner Aufmachung glauben machen will, ist es nicht, von daher lohnt sich für Interessierte, die ein weniger fachwissenschaftliches Buch etwa im Stile Eckart von Hirschhausens erwarten, durchaus vor dem Kauf ein kurzer Blick hinein.