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Viele Wissenschaftler und Publizisten haben sich damit gefasst, wie es in Deutschland zu einer politischen Katastrophe nie erreichten Ausmaßes kommen konnte, wie Hitler, der vom greisen Hindenburg verächtlich so genannte "böhmische Gefreite", mit seiner Partei von Krawallmachern 1933 die Macht in Deutschland auf demokratischem Wege erringen konnte.
Einer sah es schon länger voraus und fand zu seiner Zeit auch einige Beachtung, geriet jedoch später in Vergessenheit: Konrad Heiden, ein 1901 geborener Journalist, der bereits Anfang der 20er-Jahre nicht nur regelmäßig Zeitungsartikel zu den Vorgängen in München verfasste, sondern auch sein sorgfältig gesammeltes Material für nicht zuletzt im Ausland mit Interesse aufgenommene Bücher über Hitler und den Nationalsozialismus verwendete.
Dass seine kritischen Veröffentlichungen bei den Protagonisten nicht gut ankamen, versteht sich von selbst. 1933 wurde Heiden seiner Heimat beraubt. "Hitlers erster Feind" ist eine Biografie Konrad Heidens und zugleich ein Buch über dessen Bedeutung im Kampf gegen den Nationalsozialismus und in der Literatur sowie über die Menschen in der Emigration während der Nazizeit.
Konrad Heiden (1901 – 1966) war überzeugter Sozialdemokrat; die Ansätze hierzu hatten ihm bereits seine jung verstorbenen Eltern vermacht. Früh schon schrieb der in München lebende Student für die "Frankfurter Zeitung" – und zwar vor allem über eine aufstrebende Bewegung, den Nationalsozialismus und deren Führer, Adolf Hitler. In der Folge entwickelte er eine wahre Expertise und verfasste Bücher zum Aufstieg des Nationalsozialismus und Hitler.
Heiden musste selbstverständlich nach der Machtergreifung durch die Nazis flüchten und kam auf Umwegen im noch nicht angeschlossenen Saarland an, wo er weiter versuchte, als Journalist der dräuenden Einverleibung der Saar durch das Reich entgegenzuwirken. Erfolglos: Die Flucht ging weiter, über Frankreich und sehr gefährlich durch Spanien nach Lissabon und in die USA, wo er schließlich als Autor Fuß fasste, doch krank und verarmt starb.
Stefan Aust erzählt in seinem Buch über Heiden nicht nur eine außergewöhnliche Biografie, er zeichnet auch die besonderen Umstände nach, die dessen Leben bestimmten: nach dem verlorenen Krieg den Kampf zwischen republikanischem Aufbruch und dumpfem nationalistischem Revanchedenken (einschließlich aller Grautöne dazwischen) in der Weimarer Republik, die Diktatur und die Flucht vor ihr mit dem Balanceakt während sämtlicher Stationen sowie schließlich das Ziel USA mit Höhen und noch mehr Tiefen. Verblüfft lernt der Leser einen Autor kennen, der ihm bislang entgangen ist und der doch die besten Kenntnisse in Bezug auf Hitlers verstörenden Aufstieg besaß und vermittelte, der keinen Auftritt des "Führers" in den 20ern und frühen 30ern ausließ und dadurch einen unübertroffenen Weitblick besaß. Er stand dadurch jedoch später auch ganz oben auf der Liste der Feinde des Systems.
Fall und Auffangversuche des Konrad Heiden nachzulesen schmerzt. Der hochbegabte Journalist und Autor scheitert letztlich am Exil und einer die Berufsausübung unmöglich machenden Krankheit, Parkinson, damals ein Feld für Scharlatane.
Einige Fotos begleiten das Buch, für das Aust wohl ähnlich sorgfältig recherchiert hat wie sein Protagonist für die eigenen Werke. Dass auch einige inhaltliche "Schlenker" etwa hin zu anderen bedeutenden Nazi-Opfern und Emigranten wie Carl von Ossietzky, den Manns, Feuchtwanger und Walter Benjamin sowie der gesamten Szene unternommen werden, nicht zuletzt auch zu den internen Konflikten in Bezug auf die Szene im Saarland und in Paris, schadet keineswegs, sondern gibt im Gegenteil die zum Zerreißen angespannte Stimmung unter Menschen in einer Extremsituation wieder.
Heiden geriet zu Unrecht in Vergessenheit. So viel steht nach der Lektüre fest. Aust hat ein Mahnmal errichtet, das den Leser nicht nur kurzzeitig bannt. Der letztlich ausweglose Kampf des mutigen Demokraten Konrad Heiden gegen ein zerstörerisches System verdient Öffentlichkeit, und die hat er bekommen.
Eine Leseprobe gibt es auf der Verlagsseite.