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 Ich habe einen Traum

Neue Interventionen

Autoren: Michel Houellebecq
Übersetzer: Heller Faust
Verlag: DuMont, Köln

Cover
Gesamt +++--
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Preis - Leistungs - Verhältnis
Michel Houellebecq ist wohl der Inbegriff des Skandalautors des letzten Jahrzehnts. Nur selten kann er ein Buch veröffentlichen ohne danach in Frankreich verklagt zu werden. Er polarisiert stark, wird gehasst und geliebt. Nun hat Dumont eine Übersetzung einiger Essays und Interviews herausgebracht. Der Untertitel "Neue Interventionen" ist dabei etwas verwirrend. Vielmehr sind es Texte, die zwischen 1997 und 2008 entstanden sind. Der kleine Band ist daher eher eine Rekapitulation der Debatten mit und um Houellebecq seit dem er im Blick des öffentlichen Interesses steht.

Das 110-seitige Hardcover-Büchlein vereint 13 Texte aller Art: Artikel, Essays, Interviews, Gespräche. Dabei wird so ziemlich jedes Interesse Houellebecqs angesprochen. Natürlich sind auch eine Menge Äußerungen von ihm zu den vielen Debatten, die seine Texte ausgelöst haben, zu finden. Im Anhang finden sich Anmerkungen mit Belegstellen zu diversen Bezügen auf andere Autoren, Zeitungsartikel etc.

"Ich habe einen Traum - Neue Interventionen" stellt zweifelsohne eine interessante Zusammenstellung Houellebecqscher Texte und Aussagen dar. Wer mehr über den wissenschaftlichen und philosophischen Hintergrund des Autors wissen will, wird sicher viel Interessantes finden. Da der Autor selbst Theorie und Wissenschaft als Basis seiner Romane und Geschichten nutzt, hat er natürlich auch viel in Form von Sachtexten zu sagen.

Dabei kommt ein oft verstörendes, aber doch originelles Weltbild an den Tag. Houellebecq ist Positivist, sozialkritisch und dennoch konservativ. Sein Bild der Zukunft ist sowohl utopisch als auch pessimistisch. Es verwundert vor diesem Hintergrund nicht, dass er in den letzten Jahren seinen Weg zu einer Science-Fiction-Literatur gefunden hat, in der die Menschheit schließlich ihr Heil unter anderem im Klonen findet und damit ein Maß an Zufriedenheit erreicht, welches sie weder übertreffen kann noch es versuchen sollte. Einer Realität, der er ein Zuviel an Begierden unterstellt, stellt er eine Utopie mit einem Minimum an Begierden entgegen.

Dies ist sicher eine Kontinuität in seinem Werk. Eine weitere ist sein sehr dogmatischer und auch platter Positivismus. Houellebecq glaubt an die empirischen Wissenschaften, stellt ihren Selbstanspruch eine objektive Wahrheit zu produzieren nicht in Frage. Jeglicher Kritik linksgerichteter Intellektueller und Sozialwissenschaftler am Positivismus stellt er als dumm und unberechtigt dar. Hier werden dem Leser erste Breschen ins Lesevergnügen geschlagen. Der Autor begründet insbesondere dann nicht oder wenig, wenn er mit ihm unliebsamen Weltbildern abrechnet, dafür behauptet er um so mehr und bewertet mit harten Worten. Diese Arroganz hat Houellebeqc stets genutzt. Sie steigerte die Polarisierung um seine Person und damit sicher auch seine Verkaufszahlen. Aber ein Leser mit etwas Abstand fragt sich doch, welchen Nutzen hat es, sich mit ihm auseinander zu setzen, wenn er selbst zu häufig reine Polemik mit Argumentieren verwechselt.

Jegliches Verständnis für den Autor verliert der Leser schließlich, wenn er sich die Texte vornimmt, in denen auf die häufig harten Angriffe auf Houellebeqc eingegangen wird. Seine berühmte Aussage, der Islam sei die dümmste aller Religionen, ist dafür das beste Beispiel. Er äußert Unverständnis, dass diese Aussage zu intellektueller Massenentrüstung in Frankreich führte und erklärt, er habe nun mal Recht mit diesem Satz. Oft fragt sich der Leser, ob die Zusammenstellung der Texte vielleicht nur lückenhaft ist und Houellebeqc seine oft anscheinend rein provokativen Aussagen an anderer Stelle auch fundierter begründet hat. In diesem Band finden sich zumindest keine befriedigenden Erklärungen, sondern nur Unverständnis und Auslassungen gegen seine Kritiker.

Allerdings sollte auch darauf Aufmerksam gemacht werden, dass die Texte in ihrer chronologischen Reihenfolge an Schärfe und Spott abnehmen. Die Texte werden sachlicher, weniger anmaßend, in Houellebeqcs Fall müsste man vielleicht sogar sagen, versöhnlich. Der Band verdeutlicht daher auch die Entwicklung des Autors. Es sollte ihm also nicht ohne Weiteres vorgeworfen werden, jede noch so provokative Aussage von vor einigen Jahren auch heute noch so zu meinen. Auch Skandalautoren werden erwachsen.

Der Band zeigt auf, dass Houellebeqc vielleicht intellektuell überbewertet ist. Sein Weltbild mag originell sein, dessen philosophische Basis ist aber recht dünn. Daher sollte der Band weniger als das Werk eines großen Denkers unserer Zeit betrachtet werden, vielmehr als eine Einführung in das Weltbild eines unbestritten guten Romanautors. Wer Houellebeqcs Romane mag, sollte als Hintergrund auch dieses Bändchen interessant finden. Mehr leistet es nicht.

Andreas Schmidt



Hardcover | Erschienen: 1. Oktober 2010 | ISBN: 978-3832195922 | Originaltitel: Interventions 2. Traces | Preis: 17,95 Euro | 110 Seiten | Sprache: Deutsch

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