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1991 machten Wracktaucher vor New Jersey eine Entdeckung: Ein U-Boot am Meeresgrund; und zwar handelt es sich um eines, das niemandem bekannt ist und über das keine Aufzeichnungen existieren. Autor Robert Kurson interviewte die beiden Entdecker mehrere Hundert Stunden lang, sprach mit anderen Tauchern diverser Exkursionen zu diesem U-Boot, mit Angehörigen, Fachleuten und anderen und schrieb ein 430 Seiten umfassendes Sachbuch, in dem er nicht nur die sieben Jahre bis zur Identifikation des bis dahin als "U-Who" bezeichneten U-Bootes schildert, sondern sogar Dialoge als gesichert so geführt wiedergibt.
Anfang der neunziger Jahre war Wracktauchen etwas für Abenteurer, und die meisten von ihnen waren nicht einmal solche, sondern oft nur hinter Artefakten her. Wracktauchen galt nicht nur grundsätzlich als etwas völlig anderes als das Sporttauchen, sondern war zudem ungleich gefährlicher. Gemische wie Trimix, bei dem die Taucher neben Sauerstoff und Stickstoff einen Heliumanteil atmen, um den so genannten Tiefenrausch zu minimieren, gab es damals noch nicht, und so waren die Tauchtiefen beschränkter als heute und der Fund eines U-Bootes in über sechzig Metern Tiefe war bereits für viele lebensgefährlich. Die Entdeckung des "U-Who" war eine zufällige, bei der ein Dutzend Taucher zunächst glaubten, an der Stelle, deren Koordinaten ein Fischer ihnen verraten hatte, einen Felsen oder vielleicht einen alten Müllkahn zu finden. Robert Kurson berichtet von dieser Entdeckung geradezu minutiös, aber auch von den Veränderungen und der Bedeutung für die Menschen, die mit diesem U-Boot verbunden sind.
Sieben Jahre dauerte es, bis John Chatterton und Richard Kohler das U-Boot schließlich identifizierten. In dieser Zeit lasen sie zahllose Sachbücher, stöberten in Archiven, studierten Blaupausen und sprachen mit Leuten, intensiv angetrieben von dem Wunsch, dieses U-Boot zu identifizieren und den Angehörigen der Besatzung mitteilen zu können, wo ihre Lieben einst gesunken sind. Dies ist die Geschichte dieser beiden hartnäckigen Taucher und ihrer Lebensgeschichte, ihrer Entwicklung. Es ist jedoch ebenso die Geschichte weiterer Taucher, die Exkursionen zur "U-Who" mitmachten und derer, die dort auf der Suche nach der Identität des U-Bootes ihr Leben verloren. Es ist die Geschichte von deutschen U-Booten im Zweiten Weltkrieg und dem Schicksal ihrer Soldaten. Und zugleich ist es auch noch eine Geschichte, die den Leser in eine unbekannte Welt führt. Eine Welt, in der Trimix-Gemische in Eigenregie von Tauchern in der Garage hergestellt werden, in der alternde Legenden sich in Hafenkneipen zu Tode saufen, in der Dekompressionsphasen über Leben und Tod entscheiden können.
"Aufregend und spannend wie ein großer Thriller.", urteilte
USA Today über das Buch von Robert Kurson - und dem ist beizupflichten. Ein Leser, der sich für die Themen des Tauchens, des Zweiten Weltkrieges und der U-Boote interessiert, findet ein Paradies in diesem Buch vor. Doch auch der bis dahin unbedarfte Leser findet sich aufgrund zahlreicher detaillierter Erklärungen, die jedoch nie ins Lehrmeisterliche gehen, sondern sich völlig homogen in den sonstigen Text eingliedern, rasch in das Buch ein und wird sehr vieles lernen können. So ergibt sich ein äußerst lehrreiches Sachbuch für jedermann, das tatsächlich die Spannung eines Thrillers aufbaut. Hintergrundinformationen und detaillierte Biografien einzelner Taucher mitsamt der Hervorhebung ihrer Motivationen und Lebensträume laden den Leser ein, ein Teil dieser Geschichte zu werden. Und so ist es dann auch: Schließlich ist man selbst enttäuscht, wenn eine weitere Fahrt zur "U-Who" wegen schlechten Wetters ausfallen muss, wenn der geborgene Stiefel aus den Tiefen des Meeres sich wieder nur als ein Fundstück von vielen entpuppt, das keine Kennzeichnung aufzuweisen hat. Ängstlich beißt man sich auf die Lippen, wenn der bereits lieb gewonnene Taucher plötzlich im mysteriösen U-Boot unter Stahl begraben wird und verloren scheint; Mitgefühl macht sich bei Frauen und Männern als Leser gleichermaßen breit, wenn einem der Entdecker das Ultimatum von der Gattin gestellt wird, das Tauchen oder die eigenen Kinder zu verlieren.
"Im Sog der Tiefe" erzählt nicht einfach die Geschichte eines gefundenen U-Bootes, sondern zugleich von der zur Lebensaufgabe gewordenen Motivation der Taucher, berichtet die Lebensgeschichte gefallener Soldaten, erzählt von Mut, von Leichtsinn, von Leidenschaft, wie man sie kaum fassbarer beschreiben könnte. Dieses Buch beinhaltet zwar acht Doppelseiten mit Farbfotografien der "U-Who" und beteiligter Taucher, doch nötig sind diese beim Lesen nicht. Es ist schön, nach der Lektüre so gegenwärtigen Legenden ins Gesicht blicken zu können, doch Robert Kurson hat es vollbracht, dass man ihre Gesichter schon ohne die Fotografien bildhaft vor Augen hat - ein fantastisches Buch.