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 Im Wald der stummen Schreie


Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
In Paris geschieht eine grauenhafte Mordserie, hinter der augenscheinlich ein irrer und höchst gefährlicher Serientäter steckt. Die Opfer, allesamt rundliche Frauen, werden auf grauenhafte Weise getötet, zerstückelt und teilweise aufgegessen. Die Untersuchungsrichterin Jeanne Korowa rutscht mehr durch Zufall in den Fall hinein und verstrickt sich alsbald immer tiefer darin. Als dann François Taine, ein Kollege und Freund von Jeanne, der offiziell mit der Untersuchung der Morde beauftragt war, auf brutale Art ums Leben kommt, entschließt sich die Richterin, den Fall auf eigene Faust zu untersuchen.
Ihre Recherchen führen sie von Paris bis nach Südamerika, wo sie sich schließlich in einem undurchdringlichen Dschungel verstrickt – einerseits im realen, lebensfeindlichen Urwald von Argentinien, andererseits in einem verwirrenden Netz aus politischen Interessen und der düsteren historischen Vergangenheit des Landes. Als Jeanne schließlich bewusst wird, wie ungeheuerlich der gesamte Fall und die Motivation des Täters sind, ist es schon fast zu spät ...

Jean-Christophe Grangé, unter anderem Autor von "Die purpurnen Flüsse" und "Das Herz der Hölle", ist nicht eben dafür bekannt, bei seinen Thrillern zimperlich zu Werke zu gehen. Auch "Im Wald der stummen Schreie" schockiert beim Lesen mit vielen ekelerregenden Details von abgeschlachteten Mordopfern, wobei Grangé den Leser die Tatorte noch relativ leidenschaftslos durch die Augen der Protagonistin Jeanne Korowa betrachten lässt. Wem sich bei Schilderungen von ausgeweideten und teils verzehrten Opfern der Magen umdreht, der tut gut daran, die Szenen relativ schnell zu überfliegen, zumal das Buch eigentlich nur zu Anfang die größten Abscheulichkeiten bereit hält.

Jean-Christophe Grangé will zum Glück nicht bloß schockieren oder mit immer neuen reißerischen Szenen auftrumpfen, sondern er hat mit diesem Roman einen von langer Hand entworfenen, komplexen und faszinierenden Thriller geschrieben, der bis zur letzten Seite fesseln kann und der am Ende noch eine Pointe bietet, die den Leser und die Hauptfigur gleichermaßen überraschen.
Letztere ist eine spannend und gut konstruierte Figur, die keineswegs ohne Fehl und Tadel ist – bis hin zur Antipathie beim Lesen -, aber gerade ihre Schwächen machen sie interessant. Jeanne Korowa, äußerlich Typ Julianne Moore, ist eine eher spröde Karrierefrau, beruflich erfolgreich, aber einsam; sie lebt asketisch, schluckt Psychopharmaka wie Bonbons und führt eine unglückliche und sehr unbefriedigende Liebesbeziehung. Um mehr über ihren Partner, der sich nicht festlegen will, herauszufinden, begeht Jeanne eine in ihrem Beruf unverzeihliche und moralisch höchst zweifelhafte Tat: Sie lässt, vorgeblich im Zuge ihrer aktuellen Ermittlungen, die Praxis des Psychotherapeuten abhören, in der ihr Freund in Behandlung ist, um dessen intime Geständnisse und Probleme zu belauschen.
Bald schon jedoch gerät Korowa in den Sog der angenehmen Stimme des Therapeuten und belauscht zunehmend süchtig, wenn auch schuldbewusst, alle Patientengespräche, bis sie auf einen unglaublichen Zusammenhang stößt: In einem der Patienten glaubt sie den Vater eben jenes Mörders zu erkennen, der in Paris umgeht und der mehrere junge Frauen auf so grauenhafte Weise ermordet hat.

Man gesteht dem Autor diesen eigentlich extrem unglaubwürdigen Zufall in der Handlung gerade noch so zu, denn er bringt die Geschichte ins Rollen und schickt Jeanne auf eine irrwitzige und höchst gefährliche Reise um den halben Erdball - nach Nicaragua, Guatemala und Argentinien. Grangé versteht sich ausgezeichnet darauf, der Handlung viele komplexe Verstrickungen und Ebenen mitzugeben und den Leser trotzdem atemlos am Ball zu halten. Was die Richterin schließlich im Dschungel Argentiniens entdeckt, ist böse und trotz der ziemlich krassen Handlung nicht völlig unglaubwürdig, dafür sorgt auch die Pointe am Ende. Interessant ist auf jeden Fall, wie Grangé seine Hauptfigur immer weiter auf Abwege führt - vom geordneten Leben als angesehene Ermittlungsrichterin in Paris lässt er sie im Verlauf der Handlung Mörder und Kriegsverbrecher besuchen und lässt sie schließlich, inzwischen zum Skelett abgemagert und erschöpft, die Zivilisation verlassen. Der Kontrast von Jeannes schicker Wohnung in Paris bis zum Ort des Showdowns im Dschungel könnte nicht größer sein.

"Im Wald der stummen Schreie" ist eine gute Mischung aus beinharter Spannung, etwas Mystik und Psychologie und einer historisch-politisch angehauchten Handlung. Auch wenn es beinahe fantastische Elemente und sehr drastische Entwicklungen gibt, bleibt der Roman doch glaubwürdig, zumindest aber immer unterhaltsam. Grangé lässt der Handlung recht viel Zeit, sich zu entwickeln - am Ende fühlt man sich, als hätte man an der Seite der eigenwilligen Hauptfigur ebenfalls eine lange, erschöpfende Reise gemacht, so sehr hat man mitgefiebert und mitgelitten.

Eine Leseprobe gibt es hier auf der Verlags-Website.

Christina Liebeck



Hardcover | Erschienen: 19. August 2011 | ISBN: 978-3431038156 | Originaltitel: La Forêt des Manês | Preis: 19,99 Euro | 541 Seiten | Sprache: Deutsch

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