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In "Im Westen nichts Neues" schildert Erich Maria Remarque die Geschichte des jungen Soldaten Paul Bäumer und seiner Kameraden, die im Ersten Weltkrieg in einem schmutzigen, hoffnungslosen Grabenkrieg an der Westfront gegen die Alliierten kämpfen. Mit diesem Buch, das erstmals 1929 erschien, hat Remarque Geschichte geschrieben. Er ist sowieso ein Meister der Antikriegsliteratur, und "Im Westen nichts Neues" ist sein Meisterstück.
Keine Angst, es ist kein trockenes Stück Historie - Remarque versteht es, den Leser sofort zu packen und bereits auf den ersten Seiten zu unterhalten. Wir begleiten in diesem Buch den Ich-Erzähler Paul Bäumer und seine Freunde durch ihren Alltag, der sich im Krieg auf die menschlichen Grundbedürfnisse - Nahrungsbeschaffung, ein Platz zum Schlafen und der Kampf ums Überleben - reduziert hat.
Zunächst kann der Leser dem Frontleben sogar Sympathie entgegenbringen, denn es ist von Kameradschaft die Rede, von gemütlichen Skatnachmittagen im Grünen, von lustigen Schuljungenstreichen gegen die Obrigkeit. Doch mit der realistischen, sehr nüchternen Schilderung der eigentlichen Kriegshandlungen merkt der Leser: Diese jungen Männer sind schon längst gewaltsam erwachsen geworden. Und am Ende bleibt einzig und allein die Erkenntnis: Krieg ist sinnlos, und Krieg ist entsetzlich. Zwar gibt es in dem Roman seltene Momente des Hoffens und stellenweise sogar ein wenig Humor, doch wir ahnen es schon lange vor den letzten Seiten: Ein Happy End wird es nicht geben. Die im Laufe des Buches lieb gewonnenen Charaktere, die milchgesichtigen Schulabgänger und die gerissenen Überlebenskünstler, Remarque entreißt sie uns alle, einen nach dem anderen.
Der Autor schildert mit einem Realismus und einer Eindringlichkeit die Schrecken des Ersten Weltkrieges, die deutlich machen, dass er diese Schrecken selbst hautnah erlebt hat. Die Schauplätze selbst sind mit Blick auf die heutige Zeit und die heutigen Kriege austauschbar: Auch viele Jahrzehnte später ist nichts an diesem Buch eingestaubt, nichts ist veraltet - die nüchterne Sprache und die schonungslose Offenheit haben nichts von ihrer Wirkung eingebüßt. Immer noch ist "Im Westen nichts Neues" eine eindringliche Mahnung, die das "Kriegsheldentum" entblößt und umkehrt, weil von den vermeintlichen Helden letztendlich nur zerfetzte, tote Körper zurückbleiben.
Paradoxerweise liest sich dieses Buch sehr unterhaltsam, spannend, leicht - ideal eigentlich, aber das Thema ist schwer verdaulich, eindringlich geschrieben und so wird die Geschichte mit all ihren Eindrücken lange im Gedächtnis bleiben. Ganz Zartbesaitete können einige Passagen überspringen, aber gerade die schonungslosen Schilderungen machen das Buch zur eindrucksvollsten Anklage des Krieges, die es je gab.
"Das Schreien dauert an. Es sind keine Menschen, sie können nicht so furchtbar schreien.
Kat sagt: 'Verwundete Pferde.'
Ich habe noch nie Pferde schreien gehört und kann es kaum glauben. Es ist der Jammer der Welt, es ist die gemarterte Kreatur, ein wilder, grauenvoller Schmerz, der da stöhnt."Massen von Wehrdienstverweigerern berufen sich heute noch in ihrer Begründung auf Remarques Werk, und das aus gutem Grund, denn selten wurde der Krieg so eindringlich und überzeugend geschildert - es mangelt nicht an Heldentaten und Männlichkeit, aber es ist kein bisschen Heroismus zu spüren, und am Ende bleibt nur Verzweiflung. Wer "Im Westen nichts Neues" noch nicht gelesen hat oder dies bisher nicht wollte, sollte zumindest einen Blick hineinwerfen, denn es gehört sicherlich mit zu den besten deutschen Büchern, die jemals geschrieben worden sind.
"Der Krieg hat uns weggeschwemmt. Wir sind von ihm ergriffen worden und wissen nicht, wie das enden soll. Was wir wissen, ist vorläufig nur, dass wir auf eine sonderbare und schwermütige Weise verroht sind, obschon wir nicht einmal oft mehr traurig werden."Dieses Buch ist ein Zeitzeugnis und sollte gerade von Jüngeren gelesen werden. Was in Hollywood-Blockbustern pompös und von pathetischer Musik untermalt Schauer über den Rücken laufen lässt, enttarnt Remarque in seinem Werk (zum Glück!) als sinnentleertes, nüchternes Grauen.