Der auf Helgoland geborene James Krüss wurde in den 1950er Jahren als Kinderbuchautor bekannt und gewann zahlreiche Preise. Viele seiner Werke wurden in andere Sprachen übersetzt, und manche sind zu Klassikern geworden und werden immer noch von Kindern auf der ganzen Welt mit Freude gelesen. Der Autor verstarb im Jahr 1997, doch sein Geist lebt in seinen Büchern weiter - zum Beispiel im 1969 erstmals erschienenen "In Tante Julies Haus".

Bei Tante Julie auf Helgoland geht es abenteuerlich zu. Mit ihrem Ziehsohn Sandmann und dem Hund Rasputin lebt sie dort und vermietet ihre freien Zimmer im Sommer an Gäste. Wer sie sprechen will, muss sieben Mal klingeln, während Sandmann mit einem Klingeln zu erreichen ist. Nach dem Hund Rasputin verlangt man mit einem Mal Bellen. Die drei illustren Gestalten bekommen Gäste in ihrem Haus, in dem alle Zimmer Namen haben und auch ganz unterschiedlich aussehen. Da sind zum Beispiel der dicke Dr. Beutelbach aus Bayern, der das "R" so markant rollt, und die rüstige alte Dame Frau Rickert. Alle finden sie sich in Tante Julies Haus ein und beginnen fortan ein von der Hausherrin vorgeschlagenes Spiel: Sie klopfen das Abc ab. Jeden Abend verbringen sie damit, Gedichte und kleine Geschichten über die einzelnen Buchstaben und Laute zu schreiben und vorzutragen - und auch die, die anfangs keine Lust hatten, sind bald begeistert, denn das macht so viel Spaß …

"In Tante Julies Haus", in dem sich verschiedene Charaktere von James Krüss ein Stelldichein geben, darf in keiner Kinderbuchsammlung fehlen. So trifft man zum Beispiel den einzigartigen Timm Thaler wieder, dessen Geschichte "Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen" zum Bekanntesten gehört, was Krüss veröffentlicht hat. Das Buch ist spannend geschrieben, humorvoll erzählt und von Marei Schweitzer liebevoll bebildert. Die Geschichte vom Abklopfen des Alphabets bringt Kindern, egal ob sie schon selbst lesen oder vorgelesen bekommen, auf unterhaltsame Weise die deutsche Sprache näher - mit all ihren Eigenheiten und ganz natürlich, ohne Lehrmeistergehabe. Zudem zeigt sich gerade in den Gedichten, die die einzelnen Charaktere schreiben, Krüss’ poetische Ader: Eingängig gereimt und rhythmisch geschrieben, sind sie die wahren Highlights des Buches. An den lustigen Texten, die mal versponnen, mal witzig die Buchstaben und deren Funktionen beschreiben, werden sich Kinder wohl besonders erfreuen. Insgesamt kann sich "In Tante Julies Haus" vielleicht nicht mit den ganz großen Geschichten von James Krüss, wie "Der Sängerkrieg der Heidehasen" oder die oben genannte Geschichte von Timm Thaler, mithalten. Dennoch ist das Buch für Kinder sehr empfehlenswert, weil es sie nicht nur mit viel Fantasie und Spaß unterhält, sondern zugleich ganz unterschwellig und nie aufgesetzt Sprache durch Lesen oder Vorlesen erleben lässt.