Tim Blake ist ein ganz normaler Autoverkäufer, dessen Leben nicht viel Überraschendes zu bieten hat. Seit ein paar Wochen ist seine siebzehnjährige Tochter Sydney bei ihm zu Besuch - seit Tim sich von seiner Frau getrennt hat, lebt Syd bei ihrer Mutter und deren neuem Freund Bob.
Doch dann haben Tim und seine Tochter einen kleinen Streit beim Frühstück, und dieser nichtige Anlass scheint auszureichen, um Tims Leben zu erschüttern: Syd kehrt am Abend nicht von ihrem Job in einem kleinen Hotel im Ort zurück - und auch nicht am nächsten Tag, und nicht am übernächsten. Das Mädchen ist spurlos verschwunden. Panisch und von Schuldgefühlen geplagt, wendet Tim sich an die Polizei und meldet Syd als vermisst, dann fährt er zum Hotel, wo seine Tochter gejobbt hat. Doch keiner der Angestellten hat je von Syd gehört - ganz offensichtlich hat sie ihren Vater angelogen und gar nicht in dem Hotel gearbeitet. Für Tim beginnt eine grauenhafte Zeit zwischen Warten, Bangen und Hoffen. Ist Syd etwas zugestoßen, hatte sie einen Unfall - oder hat sie in Wirklichkeit ein ganz anderes Leben geführt, von dem sie ihrem Vater nichts erzählt hat? Nach und nach kommt Tim auf die Spur einer unglaublichen Verschwörung und weiß bald nicht mehr, wem er noch trauen kann ...

Die Spezialität des amerikanischen Thrillerautors Linwood Barclay sind die Schrecken, die urplötzlich in ein heiles Familienleben einbrechen und die ehemals so normalen Beziehungen und Lebensläufe erschüttern - so auch geschehen in den beiden erfolgreichen Romanen "Ohne ein Wort" und "Dem Tode nah". Und auch in "In Todesangst" sieht sich ein Familienvater mit seiner größten Angst konfrontiert - seine Tochter ist verschwunden, vielleicht tot - und trotz fieberhafter Nachforschungen kommt er der Lösung zunächst keinen Schritt weiter, bis er dann selbst in Todesgefahr gerät.
Sehr geschickt skizziert Barclay eine ganz normale amerikanische Familie, die sich durch nichts von anderen unterscheidet - mittleres Einkommen, Eigenheim, geschieden, wohlgeratene Tochter - und lässt dann alles aus den Fugen geraten. Tim Blake sieht sich plötzlich mit einem Gespinst aus Lügen und Halbwahrheiten konfrontiert und erfährt, dass in dem kleinen Städtchen Milford nicht alles so verschlafen zugeht, wie er gedacht hat.
Barclay kann zweifellos sehr spannend schreiben, und so wie Tim vorangetrieben wird auf der Suche nach seiner Tochter so treibt Barclay auch den Leser voran, lässt ihn Seite um Seite umblättern und mitfiebern. Zunächst sieht es so aus, als passiere nicht besonders viel außer kleiner, merkwürdiger Ungereimheiten, doch trotzdem kann man das Buch nicht aus der Hand legen, zumal sich ja die Vorstadt- und Familienidylle mehr und mehr als zweifelhaft entpuppt.

Gegen Ende dann dreht Barclay so richtig auf, zieht das Tempo ordentlich an und liefert einen atemberaubenden, blutigen Showdown. Man kann ihm zwar vorwerfen, dass es ein wenig zu viel des Guten ist, zu viel Action, zu viele Leichen, zu viele absonderliche Wahrheiten, die ans Licht kommen, aber das erwartet man ja irgendwie auch von einem unterhaltsamen Thriller. So sieht man auch bereitwillig darüber hinweg, dass es hier eben nicht mehr ganz so realistisch zugeht, dass stinknormale Familienväter mit der Waffe in der Hand auf Rachefeldzug gehen und dass irgendwie alle mehr oder weniger in diesen Fall verwickelt sind. Aus diesem Grund sollte man auch aufmerksam die Namen der zahlreichen Personen verfolgen, die hier auftauchen, denn jeder von ihnen könnte wichtig sein.

"In Todesangst" ist ein spannender Thriller, mit dem Linwood Barclay erneut an der Oberfläche einer heilen Familie kratzt und das tut, was er am besten kann: ganz normale Leute aus ihrem Leben herausreißen und sie zwingen, über sich hinauszuwachsen. Zunächst plätschert der Roman zwar noch etwas vor sich hin, aber etwa ab der Hälfte wird er dann zum echten Pageturner!