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Das Leben von Emmas Familie wird von komplizierten Regeln beherrscht, von denen nur im äußersten Notfall abgewichen werden darf: Die verschiedenen Bestandteile einer Mahlzeit müssen alle die gleiche Farbe besitzen, orangene Kleidung ist verboten – und jeden Nachmittag wird um 16:30 Uhr die gleiche Krimiserie eingeschaltet. Emmas Sohn Jacob hat das Asperger Syndrom, eine spezielle Form des Autismus. Jacob ist hochintelligent, doch zwischenmenschliche Emotionalität kann er nur schwer nachvollziehen. Während Jacobs Vater die Familie bereits vor vielen Jahren verlassen hat, haben sich Emma und Jacobs jüngerer Bruder Theo an diesen Alltag gewöhnt. Sie wissen und akzeptieren, dass Jacobs Alltag nicht durcheinander gebracht werden darf, da er damit nicht umgehen kann.
Genau das geschieht jedoch, als Jacobs soziale Betreuerin, die Studentin Jessi, ermordet in ihrer Wohnung aufgefunden wird. Bald verdächtigen Polizei und Staatsanwaltschaft Jacob, der wie besessen von Forensik ist. Hat er einen Mord begangen, um einen Kriminalfall aus nächster Nähe zu studieren? Emma weiß, dass sie einen Weg finden muss, Jacobs Unschuld zu beweisen – auch wenn sie sich insgeheim davor fürchtet, dass er doch der Täter sein könnte. Denn sie weiß, dass es ihm das Asperger Syndrom unmöglich machen würde, im Gefängnis zu überleben. Gemeinsam mit einem frisch ausgelernten Rechtsanwalt nimmt sie den Kampf auf – für ihren Sohn und gegen eine Gesellschaft, die dessen Krankheit nicht wirklich versteht …
Es sind brisante Themen, die Jodi Picoult gern in gleichsam unterhaltsamen wie informativen Büchern bearbeitet. "In den Augen der anderen" bildet da keine Ausnahme. In ihrem jüngst auf Deutsch erschienen Roman verknüpft sie Kriminalhandlung und Familiendrama mit einem schwierigen Thema: Autismus. Damit folgt sie einem Strickmuster, das sie selbst bereits in mehreren Romanen aufgegriffen hat, wie zum Beispiel bei "Beim Leben meiner Schwester" und "Zerbrechlich". Und wie immer zeichnet sich ihr Buch dadurch aus, dass es beeindruckend recherchiert und mit flüssiger Hand geschrieben ist. Etwas bedauerlich ist da allenfalls, dass sich die Familienkonstellation der Hunts in "In den Augen der anderen" doch sehr der ihrer vorhergehenden fiktiven Familien ähnelt. Auch wenn die Figurenzeichnungen sicher realistisch gelungen sind, so hätte ein wenig mehr Abweichung von zuvor verwendeten Schemas sicher nicht geschadet.
Wie das bei den neueren Jodi Picoult-Romanen üblich ist, wird die Handlung aus mehreren Blickwinkeln erzählt. Neben Emma, Jacob, einem Polizisten und einem Anwalt kommt auch Jacobs jüngerer Bruder Theo erzählt. Das wiederum verleiht der Geschichte Tempo. Im Hörbuch werden die einzelnen Abschnitte von unterschiedlichen Sprechern gelesen: Irina Scholz liest Emma, Philipp Schepmann den Anwalt Oliver, Rolf Berg den Detective und Nicolás und Maximilian Artajo die Geschwister Jacob und Theo. Alle Sprecher liefern gute bis sehr gute Arbeit ab, was selbstverständlich zum Hörgenuss beiträgt.
Auch wenn die aus anderen Romanen bekannte Familienkonstellation bereits bemängelt wurde, gelingt es Jodi Picoult jedoch, eine sehr spannende Geschichte zu erzählen, die den Hörer schnell in ihren Bann zieht. Das liegt weniger an der durchschnittlichen und wenig überraschenden Krimihandlung als vielmehr an den vielen Details, die man über das Asperger Syndrom und welche Auswirkungen es auf den Alltag von Betroffenen und deren Familien in Extremsituationen haben kann, erfährt. Begrüßenswert ist außerdem, dass es der Autorin glaubhaft gelingt darzustellen, wie eine solche Situation nicht nur zerstören, sondern auch heilen kann.
"In den Augen der anderen" bietet emotionales und nachdenklich stimmendes Hörvergnügen für alle Jodi Picoult-Fans und die, die es werden wollen.
Eine Hörprobe findet man hier.