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Wenn es um die Eroberung des Südpols geht, hört man erstaunlicherweise viel häufiger den Namen Robert F. Scott als den des Mannes, der den Pol zuerst erreichte, Roald Amundsen. Scott hat nicht nur in England den Nimbus des Helden, des Märtyrers, des aufopferungsvollen Forschers, während Amundsen eher zu einer historischen Fußnote geworden ist.
Diana Preston befasst sich in ihrem Buch zu Scotts Südpolexpedition mit der Persönlichkeit des Robert Falcon Scott; sie beleuchtet aber auch die Charaktere der Männer um ihn – und jenen seiner Frau, die in seinem Leben eine wichtige Rolle spielte. Die Autorin skizziert Scotts Kindheit und Jugend, seine ehrgeizigen Pläne in der Navy, bald auch von der Notwendigkeit geprägt, seine Mutter und zwei unverheiratete Schwestern zu versorgen, und schließ-lich das Zusammentreffen mit Sir Clements Markham, Präsident der Royal Geographical Society, der dafür sorgte, dass Scott bereits 1901 bis 1904 die "National Antarctic Expedition" mit der "Discovery" führte, bei der er wichtige Erfahrungen sammelte und Kontakte, etwa zu seinem Mitstreiter Wilson, knüpfte, bei der sich aber auch bereits der fatale Konkurrenzkampf zwischen ihm und Ernest Shackleton abzeichnete, der später eigene, sehr erfolgreiche Expeditionen durchführte.
Den Hauptteil des Buches macht natürlich die Expedition der "Terra Nova" zum Südpol von 1910 bis 1913 aus, Vorbereitungen eingeschlossen, während der Scott mit vier Gefährten zwar zum Pol gelangte, dies jedoch etwa einen Monat nach Amundsen; auf dem Rückweg kamen alle fünf bekanntlich im März 1912 zu Tode.
Hiermit endet das Buch nicht: Diana Preston analysiert sowohl die Expedition selbst als auch die Rezeption von Scotts Heldentod und die nachfolgende Polarforschung. Zu Anfang und Ende des Buches findet der Leser eine Reihe von Fotos.
Da der Leser natürlich von vorne herein weiß, wie die Expedition enden wird, verläuft die Lektüre dieses Buches in einer eigenartigen Stimmung. Es ist sehr interessant zu erfahren, welche Prägungen Scott von seiner Familie und seiner Ausbildung her erfuhr, inwiefern ihn seine erste Polarexpedition beeinflusste, wie sich die Beziehung zu Shackleton entwickelte, wie Amundsen agierte und vor allem welche Verkettung unglücklicher Umstände dazu führte, dass Scott nicht nur haushoch den Wettlauf zum Pol verlor, sondern auf der Rückkehr mit seinen Gefährten umkam: durch Verhungern und Erfrieren.
Zu den Stärken des Buches gehört die analytische Komponente. Die Autorin versucht zu ergründen, wo die menschlichen Defizite Scotts lagen, wo er falsch beraten, fehlinformiert oder einfach zu intuitiv war, welchen Einfluss besondere Wetterlagen des südpolaren Sommers und Herbstes 1911/12 hatten, ob es personelle Fehleinschätzungen gab und so weiter. Eher am Rande kommt Amundsen zur Sprache – der Mann, der ohne wissenschaftlichen Anspruch scheinbar unbefangen zum Pol und wieder zurück regelrecht brauste. Er bleibt hier ein Schemen, anders als Shackleton, der sich 1907 bis 1909 mit seiner "Nimrod-Expedition" dem Pol bereits stark genähert hatte.
Großartig werden auch die Gefährten Scotts portraitiert, allen voran natürlich jene, die kurz vor oder mit ihm starben, Edgar Evans, Lawrence Oates, Edward Wilson und Henry Bowers. Auf ein Wenn-wäre-hätte verzichtet die Autorin größtenteils, dennoch nötigt sie den Leser zu der Frage, ob ein umsichtigerer Scott womöglich nicht nur hätte überleben, sondern auch als Erster den Pol hätte erreichen können. Grundsätzlich mit der notwendigen Distanz verfasst, vermittelt das Buch reichlich Sympathie für Scott – und stellt sich dennoch der heute aktuellen kritischen Diskussion um Scotts Fähigkeiten.
Spannende, wissenschaftlich fundierte und auch aus psychologischer Sicht höchst interessante Lektüre!
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