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"Die Flucht", "Unsere Mütter, unsere Väter", "Das Leben der anderen" oder "Der Baader Meinhof Komplex" - immer wieder gelangen zentrale Momente oder Themen der deutschen Geschichte auf die Leinwand respektive auf den Bildschirm. So speist sich das Geschichtswissen des Otto Normalbürgers in nicht unerheblicher Form aus diesen Filmen. Populäre Geschichtsbildung in den Kinosälen oder aus der Kiste sozusagen. Werden viele Menschen gerade auf eben diese Weise mit Geschichte vertraut gemacht, besteht auch die Gefahr, dass solche Filme als sakrosankt wahrgenommen werden. Das Ziel des vorliegenden Ausstellungsbandes ist es daher, den Blick zu schärfen, sodass die Zuseher die "inszenierte" Geschichte in Spielfilmen als "narratives und ästhetisches Konstrukt" wahrnehmen.
Filme, die auf geschichtlichen Begebenheiten beruhen, werden erstens historische Ereignisse in Form, Inhalt und Interpretation weitergeben und zweitens die bei den Zuschauern vorhandenen Vorstellungen durch professionell inszenierte, wahr wirkende Bilder überlagern.
Der Band selbst gliedert sich in zwei größere Abschnitte. Während im ersten Teil drei Aufsätze eine allgemeine Einführung ins Thema ("Zeitgeschichte im Spielfilm - Konjunkturen eines erfolgreichen Genres", "Per Mausklick in die Geschichte", "Geschichtsaneignungen in der Mediengesellschaft im 21. Jahrhundert") bieten, dokumentiert der zweite Teil die im Haus der deutschen Geschichte in Bonn gezeigte Ausstellung. Dies erfolgt anhand von folgenden sieben Themenbereichen, welche immer wieder Ausgangspunkt von Spielfilmen sind oder waren: Holocaust, Widerstand gegen den Nationalsozialismus, Zweiter Weltkrieg, Flucht, Vertreibung und Integration, "Wirtschaftswunder", Rote Armee Fraktion sowie DDR. Während zu Beginn eines jeden Kapitels ein einführender Text einen chronologisch angelegten Überblick zur Entwicklung der Spielfilme in diesem Themenbereich bietet, werden im Anschluss daran einzelne Filme nochmals - häufig auf einer Doppelseite - näher besprochen. Am Ende finden Leser schließlich jeweils ein oder zwei Interviews mit Filmschaffenden oder deren Beratern, in denen diese ihre Standpunkte zum Sujet und zur damit verbundenen Arbeit preisgeben.
Bereits der Titel dieses Begleitbandes bringt es auf den Punkt: Mögen Filme auch noch so gut recherchiert und produziert sein, letztlich handelt es sich um eine "Inszenierung". Denn zu viele Lücken in der Überlieferung müssen überbrückt, zu viele Aspekte in Einklang und zu viele Genrekonventionen berücksichtigt werden. In Widerstreit stehen dabei oftmals die dramaturgischen Erfordernisse und die historischen Fakten, denn nicht alles, was korrekt dargestellt ist, verkauft sich auch gut. So sind solche Filme (fast) immer ein Kompromiss aus künstlerischer Freiheit und fachlicher Korrektheit, den es zu durchschauen gilt.
Filme können den Anstoß geben zu historischen Debatten, die über Generationengrenzen hinaus geführt werden - das ist die riesige Chance, die in ihnen steckt.
Doch eine Schelte des Mediums will dieser Band nicht sein. Ihm geht es darum aufzuzeigen, auf welche Art und Weise deutsche Geschichte in Spielfilmen virulent wird, wie die wissenschaftlichen Erkenntnisse umgesetzt werden - oder eben nicht - und wie diese Filme von der Presse oder dem Publikum aufgenommen wurden. Auch die aufkommenden filmtheoretischen und -ethischen Debatten finden dabei Eingang. So steht beziehungsweise stand zum Beispiel beim Thema "Holocaust" immer auch die Frage im Raum, inwieweit dieser überhaupt im Film darstellbar sei. Eine äußerst interessante Perspektive erhält der Band insbesondere durch die zahlreichen Interviews mit Filmschaffenden oder deren Beratern, da hier deutlich wird, auf welchen Überlegungen derartige Filme beruhen. Ergänzend dazu finden sich in dem Band einige Originalauszüge aus Korrespondenzen, die im Vorfeld, während oder nach der Filmproduktion entstanden sind. Auch so manche Erkenntnis wird den einen oder anderen Leser überraschen, wenn es um die immer wieder aufscheinende Beurteilung von einzelnen Filmen geht - beispielsweise im Falle des Hollywood-Blockbusters "Operation Walküre", welcher von dem Historiker Peter Hoffmann deutlich gelungener eingeschätzt wird als die Fernsehfilmproduktion "Stauffenberg".
Sehr anschaulich präsentiert sich der Band vor allem aufgrund der zahlreichen Abbildungen - Filmplakate, Fotos von Filmszenen oder seltener von Filmrequisiten -, die sich harmonisch einfügen. Ein optischer Hingucker ist das Buch jedoch in erster Linie durch sein ungewöhnliches Querformat, welches wohl an eine Kinoleinwand erinnern soll. Was ästhetisch nur allzu passend erscheint, hat jedoch den Nachteil, dass dieses recht unhandlich ist.
FAZIT: ein kurzweilig zu lesender Band, der im wahrsten Sinne des Wortes hinter die Filmkulissen blickt und aufzeigt, wie Geschichte in Spielfilmen "inszeniert" wird.
Weitere Informationen zum Buch sowie eine Leseprobe finden sich auf der Webseite des Verlags.