Gesamt |
|
Anspruch | |
Gefühl | |
Preis - Leistungs - Verhältnis | |
Spannung | |
Roths Roman "Jedermann" beginnt mit einer Beerdigung. Im Verlauf der Erzählung erfährt der Leser nicht nur, was die Todesursache des Jedermann war, sondern erhält auch Einblicke in ein Leben, das nach drei Scheidungen einsam endet, und das bestimmt wird durch Krankheiten und einem (immer wieder in Roths Romanen beschrieben) Durst nach Leben, der sich allzu oft in sexuellem Begehren äußert. Nach den Anschlägen auf das World Trade Center beschließt der alternde Jedermann sich in ein Seniorendorf zum Malen zurückzuziehen. Doch das Alter, das nach Roths Erzähler kein Kampf, sondern ein Massaker sei, ist in diesem Dorf nicht weniger bedeutend.
Der tiefschwarze Begriff des Massakers deutet schon den nihilistischen Ton an, der im Roman vorherrschend ist. Dass alles Leben im Tod endet, ist keine wirklich große Erkenntnis. Ebensowenig, dass das Alter vom körperlichen Verfall geprägt ist. Und doch handelt Roths gerade mal 158 Seiten lange Erzählung von nicht viel mehr als dieser Erkenntnis. Dabei stirbt Jedermann im Gegensatz zu einer seiner Malschülerinnen ohne langes Siechtum auf einem OP-Tisch, sodass ihm die Entscheidung zu leben oder seinem Leben ein Ende zu setzen, im Gegensatz zu ebenjener Malschülerin, erspart bleibt. Dass der Tod keine Bewegung und keine Entwicklung bietet, ist klar, aber auch das Alter bietet nichts außer Tristesse in dieser Erzählung. Die jungen Frauen, die jeden Morgen an Jedermann vorbeijoggen, sind der einzige Quell, der späte Freude spendet. Und gleichzeitig wird sein Verfall im Angesicht ihrer Jugend umso deutlicher.
Als Leser schwankt man zwischen Mitgefühl für den Jedermann, der vielleicht mal glücklich war, der aber doch nicht anders als einsam enden kann. Der nihilistische Ton kann beim Lesen zuweilen recht anstrengend sein. Man fragt sich, ob denn wirklich jeder, der in Jugend und sexuellen Aktivitäten nicht das Höchstmaß menschlicher Erfüllung sieht, nichts weiter als ein Selbstbetrüger ist.
Wie immer überzeugt Roth mit seiner klaren und nüchternen Sprache, mit Extremität und Polarisierungspotenzial. Besonders jungen Frauen aber könnte in dieser Altmännerprosa etwas zum Wiedererkennen fehlen. So sollten sich denn vor allem Leserinnen bewusst sein, dass hier eine ganz stark männliche Perspektive wiedergegeben wird.