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Noch bis zum 27. September 2015 ist die Ausstellung "Klee & Kandinsky. Nachbarn, Freunde, Konkurrenten" im Paul Klee Zentrum in Bern zu sehen; vom 21. Oktober 2015 bis zum 24. Januar 2016 wird sie im Münchner Lenbachhaus gezeigt. Beim hier besprochenen Buch handelt es sich um den Katalog zur Ausstellung.
Die klassische Moderne wäre ohne diese beiden Künstler wohl kaum denkbar: Paul Klee und Wassily Kandinsky. Bereits während ihrer Münchner Zeit waren sie Nachbarn, später, beim Weimarer Bauhaus, wohnten sie Tür an Tür. Aufgrund politischer und beruflicher Veränderungen trennten sich ihre Wege mehrmals, um sich dann wieder zu kreuzen und parallel zu verlaufen. Trotz des Altersunterschiedes von dreizehn Jahren wurden Kandinsky und Klee Freunde, die sich gelegentlich sogar im Urlaub trafen; sie beeinflussten einander, grenzten sich voneinander ab, und nicht zuletzt waren sie Konkurrenten.
Wie praktisch alle neueren Ausstellungskataloge beschränkt auch der hier vorgestellte sich nicht auf die Präsentation der Exponate und ein Werkverzeichnis, sondern er enthält neben neun Essays – und natürlich einem Vorwort – auch eine Chronologie und eine Einführung sowie abschließend fünf "Aperçus".
In der Chronologie geht es primär um die Viten der beiden Künstler, wobei abschnittweise zwischen Klee und Kandinsky gewechselt wird. Die Einführung bringt dem Leser die Persönlichkeiten der Maler und ihr besonderes Verhältnis zueinander nahe. Hierauf folgt der Katalog und auf diesen wiederum die Essaysammlung mit einem breiten Themenspektrum. Eingestreut sind die "Aperçus", kurze Eindrücke, Szenen oder Zusammenfassungen. Im umfangreichen Anhang finden sich die Werkliste, die Bibliografie, Dank, Fotonachweis und Register.
Natürlich handelt es sich bei Klee und Kandinsky um Künstler mit Weltruf, dennoch dürfte ihre enge berufliche und private Verbundenheit, Zäsuren durch den Ersten Weltkrieg und den Nationalsozialismus inklusive, weniger bekannt sein. Welch enormen Einfluss diese beiden zeitweise aufeinander ausübten – auch wenn sie sich bisweilen deutlich voneinander distanzierten -, vermag dieses Buch hervorragend zu zeigen.
Auch wenn die einzelnen Texte ganz unterschiedliche Prioritäten setzen, so werden doch immer die Berührungspunkte (und die Abgrenzung) in den Fokus genommen. Gerade die Essays vermitteln auf diese Weise ein umfassendes Bild sowohl von den beiden "Protagonisten" als eigenständige Künstler wie auch von ihrem gemeinsamen oder wechselseitig inspirierten Wirken.
Um aufzuzeigen, welche Vielfalt an Aspekten in diesem Band dargeboten wird, seien die Themen der Essays kurz wiedergegeben: Klees und Kandinskys Arbeiten auf Papier, 1911 – 1937; "Paul Klees Naturkosmologie, Strukturanalyse und imaginäre Morphologie" (Titel), denen im nächsten Essay Kandinskys Natur- und Kunstverständnis gegenübergestellt wird; das Verhältnis beider zur Musik; Kandinsky und Klee als Teil des Lehrköpers am Bauhaus – hierzu gibt es vier Essays mit unterschiedlichen Schwerpunkten, auch die Lehren beider werden thematisiert; schließlich: "Gegenklänge: Klee, Kandinsky und die deutsche Kunstkritik" (Titel).
Sämtliche Texte sind auch für Laien bestens verständlich verfasst und bieten eine Fülle vortrefflich aufbereiteter und von zahlreichen Illustrationen begleiteter Informationen. Auch hier stößt der Leser auf etliche hochinteressante, teils wenig bekannte Werke aus dem Oeuvre der beiden Künstler.
Doch selbstverständlich bildet der Katalogteil das Herz des Bandes mit Abbildungen der 193 Exponate in bester Qualität. Nicht nur Druck und Papier lassen nichts zu wünschen übrig – ganz besonders überzeugt auch die Präsentation, das heißt einerseits: das großzügige und gut genutzte Buchformat, andererseits jedoch die Gegenüberstellung jeweils zweier miteinander wechselwirkender Exponate auf den Doppelseiten. Die Anordnung wurde, sicher jener in der Ausstellung folgend, geschickt vorgenommen und trägt zum Verständnis der teils gemeinsamen, teils auseinanderstrebenden Entwicklung von Klee und Kandinsky bei. Bisweilen wird der Leser und Betrachter staunen, hätte er doch intuitiv den ein oder anderen Kandinsky wohl Klee zugeschrieben. Und die Reise durch das Oeuvre der Freunde bietet noch viele weitere Erkenntnisse und Überraschungen.
In der Werkliste finden sich Angaben zu Künstler, Entstehungsjahr, Technik, Format und Eigentümer, der Katalogteil beschränkt sich auf Künstler, Titel und Jahr.
Wer die Ausstellung nicht besuchen kann, findet in diesem Band zwar keinen Ersatz, aber doch eine Fülle an wunderbaren Kunstwerken und ihre Einordnung in die Laufbahn von Kandinsky und Klee. Sowohl die Auswahl und Präsentation der Exponate als auch die gehaltvollen Texte sind von hoher Qualität – "Klee & Kandinsky" gehört definitiv zu den wertvollsten Neuerscheinungen, die 2015 dem Kunstfreund bislang geboten hat.
Eine
umfangreiche Leseprobe präsentiert die Verlags-Website.