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Als einziges Kind ihrer chinesischen Eltern, die sich aus dem einfachen Bauerntum zu Fabrikbesitzern hochgearbeitet haben, soll Zhuang Xiaoqiao es einmal besser haben. Daher schicken die Eltern sie zu einem Sprachkurs nach London.
Der Kulturschock trifft die junge Frau völlig unvorbereitet. Sie tut sich nicht nur unendlich schwer mit der Sprache – schon frühzeitig legt sie ein eigenes Wörterbuch an mit Begriffen, die ihr begegnen -, sondern vor allem mit den englischen Gepflogenheiten. Zuvörderst fällt ihr die Einsamkeit auf, die sie so nie kennengelernt hat und die von den Briten als Freiheit empfunden wird. Aber es gibt auch viele weitere Details, die Miss Z., wie sie sich wegen ihres für Engländer unaussprechlichen Namens nennt, verwirren. Warum ist das Wetter ein so wichtiges Thema in England, warum geht man mit Sex so offen und locker um, und warum sind die englischen Verben so kompliziert mit Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft, Indikativ, Konjunktiv, Imperativ und so weiter?
Z. sehnt sich nach einem Mann, nach Liebe, nach Schutz. Spontan verliebt sie sich in einen zwanzig Jahre älteren Mann. Der ist bisexuell, Vegetarier und ein frei schwebender Lebenskünstler. Mit ihm erfährt Z. die Wonnen der körperlichen Liebe, aber auch den schrecklichen Schmerz, den Missverständnisse hervorrufen. Sie begreift nicht, dass er auch innerhalb der Beziehung eine gewisse Unabhängigkeit einfordert, dass er nicht unmittelbar heiraten und Kinder will, und dass er auf seiner Intimsphäre beharrt.
Es kommt immer öfter zum Streit. Er schickt sie per Interrail auf eine Reise durch Europa, zu sich selbst, wie er für sie hofft. Doch die Reise gerät zum Fiasko. Die Rückkehr ebenfalls.
Die Printausgabe dieses Romans wurde bei Media-Mania.de bereits besprochen. Es handelt sich dabei um einen hochwertigen Roman, aus dem die persönliche Erfahrung der Autorin spricht. Mit einem Schuss Humor – der, wie aus dem Roman hervorgeht, zu den typisch westlichen Attributen gehört – und in melancholischer Grundstimmung schildert Guo die Reise ihrer Protagonistin, die letzten Endes zu ihr selbst führt, zu einem Selbst, das sie von ihrer angestammten Kultur entfernt.
Sex ist ein wichtiger Bestandteil der Erfahrungen von Z. und schließlich der Kitt, der ihre erodierende Beziehung zu "Du" (anders tritt der Geliebte der Ich-Erzählerin nicht auf) noch eine Weile am Leben erhält. Verblüfft lernt die junge Frau Pornos, Peepshows, Selbstbefriedigung, Vibratoren und ein flüchtiges Abenteuer kennen. In der Tat ist alles ganz anders als zu Hause, wo Familie zwar mehr zählt als alles andere, Sex jedoch strengsten Tabus unterliegt.
Die schon erwähnte Einsamkeit zieht sich wie ein roter Faden durch den Roman. Z.s Liebe erscheint dem westlichen Leser nur als eine Flucht vor dieser Einsamkeit, so, wie es überhaupt nur Männer sind, die Z. kurzzeitig von der Einsamkeit erlösen können. Es gibt viele Reibungspunkte zwischen den Kulturen, und diese machen die Spannung zwischen Mann und Frau, wie Z. und ihr Geliebter sie erleben, noch schwerer erträglich.
Die reizvolle Übersetzung gehört zu den Höhepunkten des Buchs beziehungsweise Hörbuchs. Formuliert die Protagonistin und Ich-Erzählerin zunächst mühsam abgebrochene Sätze, so kann man mitverfolgen, wie sie sich allmählich in der fremden Sprache zurechtfindet und mit der Zeit immer flüssigere Formulierungen findet.
Freilich wirkt dieses gebrochene Deutsch gerade in der Hörbuchversion, die sich über sechs CDs erstreckt, gelegentlich ermüdend. Ansonsten gelingt es der Sprecherin, viel Gefühl, ja, geradezu Spontaneität im Hörbuch unterzubringen und es sehr lebendig zu präsentieren. Es wird dadurch spannend und bestens nachvollziehbar. Selbst Lieder singt die Sprecherin nach. Dadurch und durch das eingebrachte Temperament wirkt die Produktion sehr natürlich.
Ein spannendes, melancholisches, liebevoll verfasstes Hörbuch mit viel Tiefgang und manchen verblüffenden Wendungen!