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Es war das aufwändigste Filmprojekt der Sowjetunion, eine Materialschlacht sondergleichen, durch die das legendäre Mosfilm-Studio den Beweis antreten wollte, den westlichen Filmstudios - allen voran Hollywood - überlegen zu sein: die Verfilmung des Klassikers "Krieg und Frieden" von Tolstoi, ein Meisterwerk der Weltliteratur, ein voluminöses Buch von über 1000 Seiten, das weltweit unzählige Leser begeistert hat und auch heute noch zu den bedeutendsten russischen Werken gehört. Ausgerechnet diesen üppigen Stoff hatte das Mosfilm-Studio für sein filmisches Großprojekt ausgewählt, das pünktlich zur Fünfzigjahrfeier der Oktoberrevolution 1967 fertiggestellt werden sollte. Die Produktionsvorbereitung begann dann auch sechs Jahre zuvor, im Jahr 1961, und ein Jahr darauf fiel die erste Klappe unter Anleitung des noch unerfahrenen Regisseurs Sergej Bondartschuk ... die Dreharbeiten zu einem der größten Monumentalfilme des 20. Jahrhunderts hatten begonnen.
"Krieg und Frieden" ist ein Epos, ein gewaltiges Geschichtspanorama, das im Russland des beginnenden 19. Jahrhunderts angesiedelt ist. Napoleons Armee beherrscht ganz Europa, und das wacklige Bündnis zwischen dem nachrevolutionären Frankreich und dem zaristischen Russland beginnt zu bröckeln. In den Reigen der tobenden Schlachten werden die beiden Adelsfamilien Rostov und Bolkonski hineingezogen, darunter der junge Adjutant Andrej Bolkonski, der in der Schlacht von Austerlitz schwer verwundet wird und zudem den Tod seiner Frau überwinden muss. Während Napoleons Truppen weitere Siege davontragen, entwickelt sich zwischen Andrej und der jungen Natascha Rostowa eine zarte Liebschaft. Sie wird auf eine harte Probe gestellt, als das französische Heer Kurs auf Russland nimmt, um diesen letzten und stärksten Gegner des Volkskaisers auszuschalten.
Das feinsinnige Beziehungsgeflecht hat bereits Tolstoi in seinem Roman eng mit den historischen Ereignissen verknüpft, und Regisseur Bondartschuk hat dieses kunstvolle Geflecht kongenial in filmische Sprache umgesetzt. Herausgekommen ist ein siebenstündiges (!) Epos, angelegt in vier Teilen, in denen Bondartschuk eine erstaunlich werkgetreue Umsetzung des Tolstoiromans vorlegt. Er nimmt sich viel Zeit für die Spielszenen, die dank großartiger Schauspieler wie Ljudmila Saweljewa (Natascha) und Wjatscheslaw Tichonow (Andrej) ungemein stimmig und emotional wirken. Auch Bondartschuk selbst hat übrigens eine wichtige Rolle - jene des wankelmütigen Jungadligen Pierre Besuchow - übernommen. Umso erstaunlicher ist es, wie zielsicher er den Film trotz dieser Doppelbelastung inszeniert hat. Eine lyrische Bildsprache, packende Kameraeinstellungen und ausgeklügelte Farbgebungen machen den Film zu einer cineastischen Offenbarung. Höhepunkte sind freilich die gigantischen Schlachtenszenen, in denen Bondartschuk um die 15.000 Statisten dirigierte, die meisten direkt von der Roten Armee zu den Dreharbeiten abkommandiert. "Krieg und Frieden" sollte zeigen, zu welchen Leistungen die russische Filmkunst fähig war - und dass sie amerikanische Großproduktionen wie "Cleopatra" (1963) in Stil, Opulenz und Emotionalität übertrumpfen konnte. Dies dürfte dem Mosfilm-Studio gelungen sein, denn auch heute hat das Werk nichts von seiner Wucht, seiner Schönheit und Spannung verloren.
Icestorm Entertainment präsentiert das filmische Meisterwerk in einer äußerst stimmigen Box, die der Größe des Films gerecht wird. Ein 35-seitiges Booklet, sichtlich mit Sorgfalt und Enthusiasmus erstellt, liefert üppiges Informationsmaterial zu dem Film, dem Regisseur, den Schauspielern und zu Tolstoi. Auch die Drehbedingungen und die Rezeptionsgeschichte wurden nicht vergessen. An Bonusmaterial finden sich auf der vierten DVD mehrere Features über die Dreharbeiten, unter anderem der Beitrag eines Filmwissenschaftlers und der Originaltrailer von Mosfilm. Bild und Ton sind - dem Alter des Materials geschuldet - etwas verwaschen, machen aber dennoch einen guten Eindruck. So bleibt der einzige - wenn auch gravierende - Mangel das Fehlen der originalen russischen Tonspur. Schade, bei einer solch schönen Box hätte man auf sie nicht verzichten sollen. Ansonsten muss man jedoch Icestorm Entertainment Applaus zollen für die würdevolle Präsentation eines großartigen Films, der einen festen Platz in jeder Filmsammlung verdient hat. Ein Fest für Cineasten!