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Isabel Spellman arbeitet, seit sie vierzehn ist, im Familienunternehmen mit – und dort geht es ganz und gar nicht gewöhnlich zu: Die gesamte Familie arbeitet als Privatdetektive. Lediglich der Vorzeigesohn David, gegen dessen Perfektion Isabel seit Kindheitstagen ankämpft, hat irgendwann den Absprung geschafft und ist nun ein erfolgreicher Anwalt.
Ansonsten besteht das Leben von Isabel, ihren Eltern, ihrem Onkel Ray und sogar ihrer jüngeren Schwester, die ebenfalls Ray heißt, aus tagtäglichem Wälzen von Gerichtsakten, langweiligen Beschattungen, Verfolgungsjagden im Auto oder Befragungen von Nachbarn und Zeugen.
Isabel liebt ihren Job – und im Prinzip auch ihre Familie, aber da gibt es so einige Probleme. Die Spellmans haben ihre eigene Auffassung von Privatleben und Isabel leidet zunehmend darunter, dass ihre eigenen Eltern sie beschatten lassen und ihre jeweiligen Freunde genauestens unter die Lupe nehmen. Überhaupt ist den Mitgliedern der Familie nahezu jedes Mittel recht: Da werden Rücklichter von den Autos der Familienmitglieder rücksichtslos eingeschlagen – denn ein Auto mit einem kaputten Rücklicht kann man viel einfacher beschatten - , da werden private Telefonate mitgehört und da wird die kleine Schwester eingebunden, um heimlich Fotos von Isabels Aktivitäten zu schießen.
Irgendwann hat Isabel die Nase gründlich voll und sie kündigt. Ihre Eltern lassen sie aber nur unter einer Bedingung ziehen: Sie soll einen letzten, sehr verzwickten Fall lösen. Sie ahnen nicht, wie verbissen Isabel bald an dem ungewöhnlichen „Fall Snow“ arbeitet …
„Little Miss Undercover“ von Lisa Lutz ist ein gelungener Mix aus skurriler Familiengeschichte, Komödie und spannender Detektivstory. Die Familie Spellman ist einfach herrlich schräg und wirkt auf den Zuhörer manchmal mehr als exzentrisch, zumal alles Recht auf Privatsphäre gründlich missachtet wird und die Eltern nicht davor zurückschrecken, ihre unbändige Tochter Isabel rund um die Uhr zu überwachen.
Der Witz und die skurrilen Momente sind aber nur die eine Seite dieses Hörbuchs – es werden auch durchaus ernste Töne angeschlagen, denn die Spellmans sind bisweilen ganz schön selbstzerstörerisch. Isabel hat einen Hang zu wechselnden Freunden, zu Alkohol und Partys, so dass es schon mal passieren kann, dass sie nach einer durchzechten Nacht im Türeingang schläft oder nach einem One Night-Stand ihren linken Schuh nicht mehr finden kann – selbstredend, dass ausgerechnet dann ein wichtiger Termin ansteht.
Onkel Ray ist nach einer überstandenden Krebserkrankung ein lebensfroher Alkoholiker, den die Familie regelmäßig aus irgendwelchen Absteigen holen muss, wo er tagelang versumpft und dort Alkohol, Glücksspiel und käuflicher Liebe frönt. Isabels kleine Schwester Ray ist verunsichert und greift bald zu drastischen Maßnahmen, um die Familie wieder zu vereinen. Das klingt alles recht witzig (und ist es auch), ist aber auch bestürzend und ziemlich krass – ohne Zweifel sind die Spellmans eine liebevolle Familie, aber es brodelt ganz gewaltig unter der Oberfläche.
Gelesen wird „Little Miss Undercover“ von Anke Kortemeier, die Isabel und ihre chaotische Lebensart einfach perfekt verkörpert. Auch den anderen Figuren gibt sie dezent, aber sehr passend ein Gesicht – so wirkt die kleine Schwester Ray immer trotzig und etwas verloren, Streber David ist ungeduldig und karrierebewusst. Lediglich wenn Kortemeier die Stimmen älterer Männer nachahmt – etwa die von Onkel Ray –, geht das daneben und wirkt unfreiwillig komisch. Insgesamt aber eine tolle, lebendige Lesung, der man sehr gerne lauscht.
„Little Miss Undercover“ bietet von allem etwas: ein bisschen Spannung, ein bisschen Familiendrama, ein kleines bisschen Chick-Lit und ziemlich viel kurzweiliges Chaos. Vor allem weiblichen Hörerinnen wird diese skurrile Familiengeschichte gefallen. Die Lesung kann mit der weichen, ausdrucksstarken Stimme von Anke Kortemeier zusätzlich punkten. Übrigens gibt es ein Wiedersehen mit der Familie Spellman: Im Oktober 2009 ist der Nachfolgeroman "Die Spy-Girls" erschienen.