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 Little Tulip


Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Brutalität
Gefühl
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
In den 1950er Jahren entscheidet sich ein Ehepaar samt Kind von New York nach Moskau überzusiedeln. Voller Ideale erwartet die Künstlerfamilie die Möglichkeit, sich dort frei entfalten zu können. Doch es kommt anders, die Familie wird wegen Spionage-Vorwürfen ins Gulag geworfen. Sie werden getrennt und der junge Pawel muss sich allein in der brutalen Umgebung zurechtfinden, in der er ab nun aufwachsen wird. Dank seines Zeichentalents wird er zum Tätowierkünstler und zu einem gefragten Mann im Gulag. Dennoch muss er sich auch als Kämpfer beweisen, um zu überleben ...

"Little Tulip" erzählt parallel aber auch die Geschichte des erwachsenen Pawel, der als Tätowierer in New York lebt und als Phantomzeichner gelegentlich für die Polizei tätig ist. Als eines Tages ein Serienkiller sein Unwesen in der Stadt treibt, holt Pawel die Vergangenheit wieder ein ...

"Little Tulip" ist ein harter Erwachsenencomic, der schonungslos die brutale Realität des Gulags vermittelt. Prostitution, Gewalt und Mord werden drastisch und realistisch dargestellt, was nicht unbedingt jeden Geschmack treffen dürfte.

Zunächst zur Handlung. Die parallel erzählten Handlungsstränge von der Kindheit Pawels im sibirischen Arbeitslager und sein Leben als Mann in New York sind unterschiedlich spannend. Es ist die Geschichte im Gulag, die den Leser mitreißt. Wie der kleine Junge unter die Fittiche eines Clanchefs kommt, weil sein Talent fürs Tätowieren von großen Wert im Gulag ist, und wie er versucht seine Eltern wiederzufinden, bilden die spannenden und auch tragischen Motive dieser Graphic Novel. Wie in der brutalen Welt des Arbeitslagers Tätowierungen den Status großer Kunst genießen, ist ein interessanter Hintergrund zu Pawels persönlicher Geschichte. Weniger spannend oder interessant ist dagegen Pawels späteres Leben in New York. Seine Phantomzeichnungen für die Polizei sind so gut, dass er fast schon eine Art Medium geworden ist. Warum seiner Zeichenkunst die Aura des Übernatürlichen verliehen wird, ist für den Leser kaum nachvollziehbar und passt auch nicht zu dem sonst sehr realistisch gehaltenen Comic. An sich verblasst die vorhersehbare Geschichte um den Serienkiller in New York neben der Handlung im Gulag. Auf diesen Handlungsstrang hätte auch verzichtet werden können.

Zeichnerisch ist das Buch großartig gelungen. Die Härte und Brutalität des Gulags wird durch die kalte und braun gehaltene Farbgebung atmosphärisch sehr gut transportiert. Unterstrichen wird diese Stimmung noch durch viele sehr detailliert gezeichnete Figuren, denen durch tiefe Furchen, Narben oder Verwachsungen die Härte des Gulaglebens förmlich ins Gesicht geschrieben wurde. Durch die Farbgebung wird auch gut zwischen dem kalten Leben im Gulag und dem annähernd normalen Leben in New York unterschieden. Nicht zuletzt wird dieser Unterschied auch durch die tabulosen und harten Sex- und Gewaltdarstellungen unterstrichen, die nicht schön oder ästhtetisch, sondern einfach nur realistisch sein sollen.

Insgesamt ist "Little Tulip" ein sehr guter Erwachsenencomic, der sowohl historisch Interessierte als auch Fans realistischer Graphic Novels ansprichen sollte. Der New-Yorker-Handlungsstrang hätte vielleicht nicht unbedingt sein müssen, aber die Geschichte des jungen Pawels im Gulag ist auf jeden Fall ihr Geld wert.

Eine Leseprobe gibt es auf der Verlagswebsite!

Andreas Schmidt



Hardcover | Erschienen: 1. Juni 2015 | ISBN: 978-3958391352 | Preis: 19,95 Euro | 96 Seiten | Sprache: Deutsch

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