Doktor Michael Keiner wuchs in einem noch recht freien Deutschland auf. In einem Deutschland, in dem man als Jugendlicher auch mal ohne Führerschein Motorrad fahren und mit seinen Freunden Groschen gegen eine Wand werfen konnte, ohne dass sich Polizei oder besorgte Erzieher eingemischt hätten.
In dieser Zeit entdeckte der spätere Arzt seine Leidenschaft für das Spielen um Geld. Erst waren es Geschicklichkeitsspiele, dann kamen im wahrsten Sinne des Wortes die Karten ins Spiel. Schwimmen, Skat - die typischen Spiele eben, die man in Deutschland kennt. Irgendwann, nach einem Ausflug in die Welt des Motorradsports, war es Poker. Und hier entdeckte Michael Keiner die Parallelen, die zwischen Spiel und Leben bestehen, zwischen Situationen aus dem Beruf und Alltag mit Begebenheiten am Spieltisch. Wobei er es nicht damit bewenden ließ, hin und wieder mit Freunden zu spielen. Der Autor wollte mehr, er wollte Pokerprofi werden - und dies gelang ihm auch. Schließlich gewann er die Europameisterschaft im 7-Card-Stud. Kein Wunder also, dass er seine gesammelten Erfahrungen in einem Lehrbuch zum Thema Pokerspiel weitergeben möchte. Dabei ist es nicht sein Anliegen, trocken über Strategien, Chancen und Wahrscheinlichkeit zu referieren, sondern auch seine Biographie zu Papier zu bringen. Er mischt in dem Buch persönliche Erlebnisse, seinen Werdegang, seine Erfolge und Misserfolge auf allen Bereichen des Lebens, um sie mit dem Grundthema des Buches - dem Poker - zu verknüpfen. Dabei hat er sich große Themen vorgenommen. Neben eher philosophischen Betrachtungen geht es unter anderem auch um Moneymanagement, Vorbereitung auf Turniere und um Eigenkontrolle.
Die Gefahr, dass bei solch einem Versuch weder eine gute Biographie noch ein gutes Lehrbuch herauskommt, ist natürlich groß. Die Frage ist also, ob es Doktor Keiner gelang, die verschiedenen Elemente des Buches so zu verquicken, dass der Leser kurzweilig unterhalten wird und etwas über Poker lernt.

Poker erfreut sich in Deutschland zunehmender Beliebtheit. Nicht nur die Turniere, die regelmäßig im Fernsehen übertragen werden, tragen hierzu bei. Auch das Internet mit seinen Online-Spielen lockt mehr und mehr Spieler in die faszinierende Welt des Pokers.
Doch dieses Spiel bietet nicht nur Licht, sondern auch Schatten. Immer wieder hört man von Leuten, die sich um Haus und Hof gebracht haben. Die, der Spielleidenschaft verfallen, auch dann nicht mit dem Zocken aufgehört haben, als das Spiel ihre Ersparnisse auffraß. Manche glaubten gar, mit Poker ihre Geldsorgen verringern zu können - und mussten erleben, dass sie sie eher vergrößerten.
Doktor Michael ‘The Doc’ Keiner geht neben vielen anderen Themen auch auf diesen Punkt ein. Geschickt lässt er sein Wissen über Poker in Anekdoten und Geschichten einfließen, warnt davor, jenes Geld einzusetzen, das man noch anderweitig benötigt, oder zeigt auf, wie man gewisse Spielertypen erkennt - für ein erfolgreiches Spiel unverzichtbar.
Die Geschichte seines Lebens liest sich selbstironisch. Es macht Spaß, ihr zu folgen; zumal er auch Niederlagen, mal bei Frauen, dann im Rennsport oder beim Spiel, nicht verschweigt. Doktor Keiner schlägt dabei einen leichten Plauderton an, dem man gerne folgt. Geschickt werden die Lektionen des Lehrbuchs eingebettet, so dass keine Langeweile aufkommt. Dadurch wird das Buch auch für Leser interessant, die sich nur am Rande mit Poker befassen und eher gelegentlich spielen. Wer hingegen Analysen von Händen erwartet oder eine exakt aufgeschlüsselte Tabelle, welche Hand in welcher Situation wie abschneidet und wie die Chancen auf ein besseres Blatt stehen, wird sich enttäuscht sehen. Denn dies liefert der Autor nicht, was er bereits im Vorwort verdeutlicht. Dies wäre dem Werk auch abträglich, denn es würde ihm den Esprit nehmen.
Die Aufmachung des Buchs ist sehr gut. Nicht nur, dass die einzelnen Seiten farbig gestaltet sind, es wurden auch zahlreiche Farbfotos aus ganz verschiedenen Bereichen des privaten und professionellen Lebens des Autors eingefügt. Ein Glossar mit oft verwendeten Ausdrücken der Pokersprache rundet das Werk ab.

Fazit: Geht man mit den richtigen Erwartungen an dieses Buch heran, kann man viel von Doktor Keiner erwarten. Denn der Spagat zwischen Biographie und Lehrbuch ist dem Autor gelungen. Sucht man hingegen exakte Analysen oder eine Anleitung, wie man das nächste Turnier gewinnt, ist man bei »Living On The Edge« falsch. Gewisse Grundkenntnisse des Spiels sollte man zudem mitbringen, denn für absolute Neulinge ist das Buch nicht zu empfehlen.