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 Love

Autoren: Stephen King
Übersetzer: Wulf Bergner
Verlag: Heyne

Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Lisey stand als Ehefrau des berühmten Schriftsteller Scott Landon immer etwas in seinem Schatten. Doch nun ist Scott, der für seine Werke unter anderem so wichtige Auszeichnungen wie den Pulitzer Preis und den National Book Award erhielt, bereits seit zwei Jahren tot. Schweren Herzens macht Lisey sich daran, endlich seinen literarischen Nachlass zu sichten - eine unüberschaubare Menge von Manuskripten, Zeitschriften und Notizen, die Scott in seinem privaten Arbeitszimmer aufbewahrte. Vor allem auf die Manuskripte haben es zahlreiche Leute, von Lisey "Inkunks" genannt, abgesehen; nicht auszudenken, was ein bisher unveröffentlichter Roman von Scott Landon einbringen würde. Lisey lehnt ab, Fremde in Scotts Refugium herumstöbern zu lassen, sie will sich zunächst selbst einen Überblick verschaffen. Beim Blättern durch alte Zeitschriften werden ihr zahlreiche Erinnerungen von ihrer Ehe mit Scott und der großen Liebe, die zwischen ihnen herrschte, ins Gedächtnis gerufen. Da erhält Lisey einen unangenehmen Anruf von einem Mann, der sich selbst Zack McCool nennt und der es offensichtlich ebenfalls auf alte Manuskripte von Scott abgesehen hat. Er bedroht Lisey am Telefon, doch sie lässt sich zunächst nicht einschüchtern, zu viel hat sie gerade zu tun mit ihrer psychisch kranken Schwester Amanda, die sich immer wieder selbst verletzt und schließlich in eine Katatonie verfällt. Doch Scott, mit dem Lisey teilweise in Gedanken spricht, scheint sie zu warnen und ihr etwas sagen zu wollen, denn Zack McCool ist weitaus verrückter, als Lisey zunächst ahnt.

Der neueste Roman von Stephen King - der im Deutschen statt "Lisey’s Story" den simplen, jedoch weniger passenden Titel "Love" trägt - soll auch sein bisher persönlichster sein. Bezeichnenderweise ist die Geschichte seiner Frau Tabitha gewidmet, obwohl der Autor im Nachwort klarstellt, dass die Parallelen, die man als Leser zu erkennen glaubt, nicht so offensichtlich sind.
Bereits auf den ersten hundert Seiten zeigt King, dass er als Autor noch immer der geniale Strippenzieher aller Figuren, aller Handlungen und jedes einzelnen Satzes ist. Zahlreiche, zunächst rätselhafte Rückblenden fügen sich dem Leser Stück für Stück zu einem Ganzen zusammen. Aus Unwillen darüber, dass man nicht alles versteht, dass King kryptische Andeutungen aneinander reiht, wird bald Staunen und schließlich atemlose Spannung in bester King-Manier. In die Geschichte einer Witwe, die um ihren toten Ehemann trauert, mischen sich zusehends mystische Elemente, bis die Mystik den Plot schließlich ganz übernimmt. Das Grauen naht zunächst in der allzu realen Gestalt von Zack McCool, dem Stalker. Zum Glück besitzt Lisey einen mächtigen magischen Gegenstand im Kampf gegen das Böse: einen silbernen Spaten, mit dem sie einst ihrem Mann das Leben gerettet hat. Scott hat ihr in weiser Voraussicht vor seinem Tod ein "Bool" hinterlassen, Stationen einer Art Schnitzeljagd, die Lisey nun durchlaufen muss, um den psychopathischen Zack McCool zu bekämpfen.

Das Stilmittel, dem Leser zunächst Erklärungen vorzuenthalten und sie dann später ganz natürlich in die Handlung einfließen zu lassen, ist hier perfekt gelungen. Lisey erinnert sich an vieles, was der Leser nicht einordnen kann, zum Beispiel wenn sie vom Long Boy spricht, von Bools und Blut-Bools und von SUWAS. Solcherart "Insider" kennt man schon aus Kings Roman "Duddits", wo sich Ausdrücke wie "Kein Prall, kein Spiel" und "SSAT" ("Selbe Scheiße, anderer Tag") durch den Roman zogen. Wo andere Autoren hektisch erklären würden, damit der Leser nicht auf der Strecke bleibt, rückt King die Informationen nur nach und nach heraus und entschlüsselt so langsam die Geheimsprache zwischen Lisey und ihrem Mann, die ein eingespieltes Team waren. Fast alle Liebenden haben Rituale, Sätze und Wörter, die nur sie verstehen können, und so ist es auch bei Lisey und Scott. So wie sich die verborgenen Bedeutungen in der Kommunikation zwischen diesen beiden nach und nach erschließen, so kann sich der Leser zunehmend ein Bild machen von der Größe ihrer Liebe. Er wird zum Eingeweihten intimen Insiderwissens - ein sehr geschickter Schachzug, denn spätestens jetzt mag man das Buch nicht mehr aus der Hand legen, auch wenn die Bedrohung durch das Schreckgespenst Zack McCool noch in der Ferne wartet. Wie so oft in Stephen Kings Romanen gibt es auch hier eine Menge Magie von der Art, dass eigentlich belanglose Gegenstände - hier unter anderem ein Spaten - zum mächtigen Talisman werden im Kampf gegen bösartige Mächte.
Bei "Love" klaffen Erzählzeit und erzählte Zeit weit auseinander. In Liseys Hier und Jetzt vergehen nur wenige Tage, dafür reichen ihre beschriebenen Erinnerungen Jahre, ja Jahrzehnte weit zurück. Der Roman spielt auf mehreren zeitlichen Ebenen, die sich ineinander verschlingen - im Jetzt, in 1996 und im Jahr 1967. Erst am Ende des Romans sind alle Lücken der Handlung aufgefüllt, alle Puzzleteile zusammengesetzt. Stephen Kings Buch ist selbst ein Bool, eine Schnitzeljagd, an dessen Ende der Leser als Belohnung endlich alles versteht. Manche Elemente kommen King-Fans sicher bekannt vor - zum Beispiel die Idee einer Parallelwelt, die tatsächlich betreten werden kann wie in "Das Bild" oder "Talisman", das meiste ist aber komplett neu.

Insgesamt ein persönlicher, zu Herzen und unter die Haut gehender Roman, der sehr aufmerksam gelesen werden will. Mehr Tiefgang und Mystik als Horror oder Thriller - und nicht zuletzt auch eine sehr schöne und sehr traurige Liebesgeschichte.

Christina Liebeck



Hardcover | Erschienen: 01. September 2006 | ISBN: 9783453265325 | Originaltitel: Lisey’s Story | Preis: 22,95 Euro | 733 Seiten | Sprache: Deutsch

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