Gesamt |
|
Anspruch | |
Aufmachung | |
Bildqualität | |
Gefühl | |
Preis - Leistungs - Verhältnis | |
Spannung | |
Lulu ist unglücklich mit ihrem Leben. Ihre Ehe ist nicht mehr dieselbe, ihr Mann trinkt und um Kinder und Haushalt kümmert sie sich allein. Ein verpatztes Vorstellungsgespräch und die Vorwürfe ihres Mannes lassen sie kraftlos und ausgebrannt zurück. Sie braucht eine Auszeit.
Eigentlich sollten es nur ein, zwei Tage sein, doch Lulu begegnet Menschen, die sie verändern. So führt eins zum anderen und plötzlich findet sie sich an der Küste wieder. Dort genießt sie eine ungeahnte Freiheit und Ruhe. Seit langer Zeit denkt sie einfach mal nur an sich und nicht an andere. Sie muss über ihr Leben und über das was sie will nachdenken, bevor sie den Weg nach Hause antreten kann. Letztendlich wird dieser nicht einfach sein.
"Lulu - Die nackte Frau" ist eine Graphic Novel von Étienne Davodeau, von dem sowohl Text als auch Illustrationen stammen. Erzählt wird von einer Frau in den Vierzigern, die plötzlich die Gelegenheit ergreift, aus ihrem tristen Alltag auszubrechen. Ohne an ihre Familie und Freunde zu denken, lässt sie sich treiben, um sich selbst zu finden.
Die Story ist völlig ruhig und entwickelt sich sanft und unmerklich; genauso langsam und lautlos, wie die Protagonistin ihr Leben empfindet. Dabei kann der Leser förmlich Lulus Niedergeschlagenheit und Trauer spüren, so eindringlich sind die einfachen Worte und Zeichnungen. Derweil widmet sich die Anekdote der Frage, inwieweit man sein eigenes Glück für einen geliebten Menschen (oder für seine Familie) aufgeben muss. Und wenn dies geschehen und nun zu viel ist, ist es dann einfach erlaubt, für unbestimmte Zeit abzutauchen?
Gegliedert ist die Handlung in zwei Kapitel, die jeweils ein bewegendes und bedeutendes Zusammentreffen schildern und einen neuen Erzähler hervorbringen. Denn obwohl die Story sehr persönlich ist und Lulu die zentrale Rolle darin spielt, werden die Geschehnisse nicht von ihr selbst, sondern von ihrer Tochter Morgane und dem engen Freund Xavier berichtet.
Das ermöglicht Étienne Davodeau die unterschiedlichsten Informationen einzustreuen und auch das Leben zuhause, ohne Lulu zu schildern. Trotzdem werden auch Lulus Gefühle, die sie in bestimmten Situationen empfindet, ausgeführt. Diese entspringen aus Gesprächen der Akteure untereinander, die der Leser nicht miterlebt. Erzählt wird im Hier und Jetzt, Lulus Erlebnisse hingegen liegen zu diesem Zeitpunkt schon bis zu zehn Tage zurück.
Alle Personen dieser Erzählung sind glaubwürdig, auch wenn der Leser nicht alle Handlungen nachvollziehen oder gutheißen kann. Lulu erweckt, obwohl sie ihre Familie verlässt, Sympathien, da ihre Geschichte mitten aus dem Leben gegriffen ist und sich vielleicht der eine oder andere mit ihr identifizieren kann. Aus diesem Grund ist ihr Wunsch nach einer Auszeit nachvollziehbar. Dieses Gefühl verstärkt sich weiter durch ihren Ehemann Tanguy, der seinen Kindern und Lulu teilweise mit Gleichgültigkeit begegnet. Auch sein Hang zum Alkohol und seine gelegentlich unsinnigen Aktionen verbessern nicht gerade das Familienleben.
Entgegen des kleinen und handlichen Formats, das mit einem Schutzumschlag versehen ist, werden viele Panels auf eine Seite gebracht. Diese sind oft, trotz Lulus Trauer und Niedergeschlagenheit, in warmen Farbtönen gehalten. Dabei konzentrieren sich die Darstellungen hauptsächlich auf die Charaktere und beinhalten nur Szenerien, wenn diese benötigt werden. Generell werden Details überlegt eingesetzt. Die meiste Zeit wird viel gesprochen, doch stellenweise gibt es auch Illustrationen, die ohne Text wirken, wie etwa die wirklich schön anzusehenden Küstenbilder.
Insgesamt ist "Lulu - Die nackte Frau" eine bedächtige Story, die von den Emotionen ihrer Charaktere getragen wird und den Leser über das Leben im Allgemeinen nachdenken lässt. Die Spannung ist unterschwellig, die Illustrationen sind natürlich, schlicht und verfehlen nie ihr Ziel. Am Ende stellen sich die Fragen, wie es so weit kommen konnte und wie es von nun an weiter geht. Die Antworten bleibt die Geschichte schuldig.
Wer schon mal einen Blick in diese bedächtige Story werfen möchte, der findet auf der Verlagsseite eine Leseprobe.