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 Manet - Sehen

Der Blick der Moderne


Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Preis - Leistungs - Verhältnis
Dieser Manet-Band ist anders: Im Gegensatz zu Bildbänden oder Abhandlungen, die Manets Gesamtwerk betrachten, lenkt der vorliegende Band seinen Blick im wahrsten Sinne des Wortes dezidiert auf ein besonderes Sujet im Oeuvre Manets; nämlich den des Blicks. Und zwar im doppelten Sinne. Denn die Figuren seiner Bilder zeichnen sich nicht nur durch Blicke zueinander aus, sondern blicken auch immer wieder aus dem Bild heraus, womit diese in Dialog mit dem Betrachter treten. Mit diesem "Ausstieg aus dem Bild" steht Manet für eine neue Tendenz in der bildenden Kunst, die den Weg in die Moderne weist.

Auf häufig mehrfach verschränkte Weise macht damit Manet das Sehen zum zentralen Thema: das Sehen des Bildbetrachters und die Blicke der in dem Bild dargestellten Personen, die sich von dem Betrachter angeschaut wissen und seinen Blick erwidern.


Jene Gemälde, die sich in dieses Feld einordnen lassen, finden sich aktuell in einer Ausstellung der Hamburger Kunsthalle versammelt, welche in dem hier vorliegenden Begleitband ihre Würdigung finden. Während sich die Autoren im ersten Teil in zehn Aufsätzen perspektivenreich dem Wirken und Werk des Künstlers annähern, rücken im Katalogteil einzelne Bildmotive (zum Beispiel "Paarbeziehungen") oder -themen (zum Beispiel "Nana" oder "Léon als Modell") ins Zentrum.

Auch wenn der Band den Schwerpunkt auf das Motiv des "Blickes" lenkt, behandeln gerade die Aufsätze im ersten Teil auch die Begleitumstände dieses besonderen Merkmals. Mitverantwortlich war dabei vor allem der Salon als Bühne für Manets Kunst, welcher auch sein künstlerisches Schaffen beeinflusste. So erklärt sich eben auch, dass die Figuren in seinen Bildern ihren Blick aus dem Bild herausrichten, um die Besucher direkt anzusprechen und sich damit einen Vorsprung gegenüber der Konkurrenz zu verschaffen.

Ein zentrales Gemälde im Kontext des Bandes stellt sicherlich das auf dem Cover befindliche Bildnis der Nana dar, welches aus zeitgenössischer Sicht durchaus als skandalös bezeichnet werden kann. Denn hier blickt dem Betrachter eine leicht gekleidete Prostituierte selbstbewusst entgegen, was dem damaligen Sittenkodex widersprach. Bemerkenswert ist dabei, dass Manet hier Tizians "Junge Frau bei der Toilette", welche ihm womöglich als Anregung gedient hat, ins Moderne kehrt, indem er die im Bild vorzufindende "Dreieckskonstellation zwischen der Schönen, dem Mann und dem Spiegel gänzlich anders gestaltet".

Auf allen drei Gemälden schaut die weibliche Protagonistin den Betrachter unverstellt an, sodass dieser sich in seiner Rolle als Betrachter des Bildes und der Prostituierten angesprochen und bloßgestellt fühlen musste.


Überhaupt gelingt es dem Band, wie bereits angedeutet, vielfältige Bildbezüge herzustellen - und zwar nicht nur auf Werke anderer Künstler, sondern vor allem zwischen verschiedenen Bildern Manets. Auf diese Weise treten typische Muster, wie beispielsweise der bereits erwähnte Spiegel, der den Blick nicht nur umkehrt, sondern in manchen Fällen sogar die eigentlich gezeigte Szenerie erweitert, oder Auffälligkeiten bei jenen Personen zutage, die wie Manets vermutlich illegitimer Sohn Léon in sogenannten "Doppelbildern" zu sehen sind - eine Besonderheit, die sich zum Teil daraus ergibt, dass ab 1864 die zu präsentierende Anzahl an Medien im Salon des "Palais de l’Industrie" auf zwei Ausstellungsbilder begrenzt wurde.

Wie es sich für einen hervorragenden Bildband gehört, zeichnet sich dieser nicht zuletzt durch zahlreiche gestochen scharfe Abbildungen aus, die sämtliche Details, Konturen sowie insbesondere Manets diffizile Farbabstufungen zeigen. Im Gegensatz zum ersten Teil sind die Verweise auf die entsprechenden Bilder jedoch im Katalogteil zum Teil lückenhaft, sodass nicht alle erwähnten Werke auf Anhieb einer Abbildung zugeordnet werden können. So blättert der Leser doch recht häufig.

FAZIT: ein äußerst sehens- und lesenswerter Begleitband zur Manet-Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle, welcher mit einem klaren Blick auf den Blick überzeugt.

Weitere Informationen zum Buch, ein Blick ins Inhaltsverzeichnis sowie eine Leseprobe finden sich auf der Webseite des Verlags.

Matthias Jakob Schmid



Hardcover | Erschienen: 31. Mai 2016 | ISBN: 9783731903253 | Preis: 29,95 Euro | 256 Seiten | Sprache: Deutsch

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