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Raimund Fellinger, Cheflektor im Suhrkamp Verlag, hat aus dem bisherigen Werk Peter Sloterdijks die Essays zusammengestellt, die sich mit der französischen Ideengeschichte und politischen Entwicklung beschäftigen. Die chronologische Zusammenfassung dieser Aufsätze unter dem Titel "Mein Frankreich" beginnt mit Descartes, Pascal und Rousseau und zeichnet so ein Porträt des vorrevolutionären Frankreichs und der damals geführten Diskurse.
Den Beiträgen über die Nationalversammlung und die Revolution folgen wenige Beiträge, beispielsweise zu Jules Verne und Paul Valéry, die sich mit dem Frankreich zwischen Revolution und Zweitem Weltkrieg befassen, bevor bereits nach einem Drittel des Buches die Nachkriegsphilosophie erreicht ist, die mit Beiträgen beispielsweise zu Lacan, Sartre und Derrida den Hauptteil des Buches ausmacht.
Bei neuen Zusammenstellungen bereits veröffentlichter Arbeiten liegt es immer nahe, dem Verlag Gewinnstreben und kapitalistische Wiederverwertungslogik zu unterstellen. Bei "Mein Frankreich" ist es jedoch verständlich,wieso diese interessanten und tiefgründigen Beiträge zur französischen Gesellschaft und Geschichte erneut aufgelegt wurden.
Nicht nur die derzeitigen Diskussionen um die deutsch-französische Freundschaft und den Schaden, den sie durch die Fixierung Angela Merkels auf Nicolas Sarkozy im Präsidentschaftswahlkampf 2012 genommen hat, lassen eine intensive geisteswissenschaftliche Auseinandersetzung mit unserem westlichen Nachbarn wichtig erscheinen.
Nicht nur die Rolle Frankreichs in Europa, auch ihre intensiven Freundschaften zu Belgien, der Schweiz und Spanien machen ein tieferes Verständnis der französischen Kultur und Denkweise lohnenswert. Ein tiefes Verständnis Frankreichs ist auch ein tieferes Verständnis Europas.
Und genau das bietet Sloterdijks "Mein Frankreich". Die Faszination, mit der Sloterdijk die französischen Intellektuellen aus den verschiedensten Blickwinkeln beleuchtet, das logische Verständnis, mit denen er gesellschaftliche Entwicklungen erklärt und analysiert fesseln den Leser und helfen beim Verstehen heutiger Probleme.
Die Zusammenstellung der Sloterdijk'schen Essays ist gut gelungen und bildet die historischen Epochen entsprechend ihrer geisteswissenschaftlichen Bedeutung repräsentativ ab. Sloterdijks Schreibstil ist wie gewohnt nicht einfach, aber verständlich und präzise und besticht durch seinen Reichtum an Anspielungen, Querverweisen und biografischen Details.
Wenn Sloterdijk, der auch als Gastdozent in Paris tätig ist, den Freiheitsphilosophen Sartre auf drei Seiten als Heros und Genie preist und Rousseau zum "Kronzeugen der Erkenntnis, dass es Paranoiker gibt, die wirklich verfolgt werden" ernennt, so ist es diese unverkrampfte Herangehensweise, die die Lektüre zu einen interkulturellen Genuss werden lässt.
Eine Leseprobe gibt es auf der Verlags-Website: Mein Frankreich