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 "Mein Kampf"

Geschichte eines deutschen Buches


Cover
Gesamt ++++-
Anspruch
Aufmachung
Preis - Leistungs - Verhältnis
Wohl kaum einem anderen Buch haftet die Aura des Verbotenen derart an wie Hitlers "Mein Kampf". Immerhin hielt der bayerische Freistaat als Rechteinhaber die "Bibel" der Nationalsozialisten 70 Jahre unter Verschluss. Nichtsdestotrotz kursierten im Internet bereits seit Längerem diverse digitale Versionen des Buches - entweder illegal auf Seiten mit rechtsextremer Ausrichtung oder auf ausländischen Servern, die von der deutschen Regelung nicht betroffen waren.

Lange Zeit war die angesprochene Rechtsgrundlage auch für eine wissenschaftliche Zurückhaltung verantwortlich. So gibt es erstaunlich wenige Monografien zur wichtigsten ideologischen Grundlage des Nationalsozialismus. Erst mit der Verjährung des Publikationsverbots zum Jahreswechsel 2015/16 und der daraus resultierenden Veröffentlichung einer kommentierten Ausgabe des Buches durch das Institut für Zeitgeschichte wandeln sich die Vorzeichen. So erschien bereits 2015 die vorliegende "Biografie" zu Hitlers Schmähschrift. Darin zeichnet Sven Felix Kellerhoff die Karriere des Buches von der Entstehung bis zur aktuellen Rechtslage nach. Einen gewichtigen Anteil nimmt jedoch vor allem eine umfassende auf Zitaten basierende inhaltliche Zusammenfassung ein, welche der leitende Redakteur für Zeit- und Kulturgeschichte der "Welt"-Mediengruppe an den Beginn seines Buches stellt. Zentral sind zudem seine Ausführungen zu Hitlers Quellen. In diesem Zusammenhang erörtert er auch die Zuverlässigkeit der Darstellung sowie die Herkunft von Hitlers Judenhass. Auch die Rezeption des Buches im In- und Ausland sowie dessen wirtschaftlicher Erfolg kommen zur Sprache. Nicht zuletzt geht Kellerhoff am Ende auf die Nachkriegskarriere des Buches ein, welche geprägt waren von diversen Versuchen einer kritischen Ausgabe und der rigorosen Verbotspraxis des bayerischen Freistaats.


Wer ein Buch schreibt, will seine Leser entweder informieren oder unterhalten, vielleicht auch beides. (...) Kaum ein Schriftsteller würde wohl einen anderen Weg einschlagen - niemand außer Hitler.


Vielen geschichtsinteressierten Lesern wird die kommentierte Neuausgabe von "Mein Kampf" des Instituts für Zeitgeschichte wohl zu sehr ins Detail gehen und erscheint daher wenig geeignet, einen breiteren Leserkreis anzusprechen. Hinzu kommt, dass Hitlers Propagandawerk - vom Inhalt einmal ganz abgesehen - auch sprachlich kaum dazu einlädt, in Gänze gelesen zu werden. Eine gute Alternative, sich dennoch fachkundig mit Hitlers ideologischer Grundlegung des Nationalsozialismus kritisch auseinanderzusetzen, bietet das vorliegende Buch, welches in kompakter und gut verständlicher Form sowohl in die Inhalte als auch in die Hintergründe der Entstehung, des Vertriebs und Rezeption von "Mein Kampf" einführt. Entgegen früheren, ähnlich gelagerten Versuchen einer Auseinandersetzung mit diesem Propagandawerk arbeitet Kellerhoff sehr textnah, indem er Originalpassagen direkt zitiert und gegenüberstellt.

Nicht selten muss sich dieser bei seinen Ausführungen aber mit unzuverlässigen Zeitzeugen, Textstellen oder Quellen auseinandersetzen. Immer wieder deckt er hierbei Widersprüche in Hitlers Argumentation auf, wenn er beispielsweise Hitlers Angst vor einer Gefährdung des Ariers als "Kulturbegründer" erwähnt, was im vollkommenen Gegensatz zu seiner an den Sozialdarwinismus angelehnten Maxime steht, dass sich der Stärkere unvermeidlich gegen den Schwächeren durchsetzt. Er arbeitet außerdem überzeugend heraus, dass die unterschiedlichen Auflagen trotz den anderslautenden Bekundungen des Verlages durchaus gewichtigere inhaltliche Veränderungen erfahren haben, die über die Begrenzung von Schimpfwörtern weit hinausgehen. So betonte Hitler in der Erstausgabe beispielsweise noch das Wahlprinzip innerhalb der NSDAP, was auch die Wahl des Vorsitzenden, des "Führers", mit einschloss. Später wurde dies freilich getilgt, da dies den Machtanspruch Hitlers unterminiert hätte. An vielen Stellen seines Buches weist Kellerhoff zudem gezielt auf inhaltliche Fehler und Verfälschungen hin, insbesondere wenn es um biografische Details oder historische Gegebenheiten geht.


Fast jede Seite seiner Darlegung enthält nachweisbare Irrtümer, Missverständnisse oder andere Unwahrheiten.


Eine wichtige Frage, welcher der Autor ebenfalls nachgeht, ist, ob Hitlers Propagandaschrift überhaupt gelesen wurde. Im Gegensatz zu gängigen Behauptungen kommt Kellerhoff dabei zu dem Schluss, dass "Mein Kampf" mitnichten nur ungelesen in den Bücherregalen stand. Allerdings schränkt er auch ein, dass dies vor allem auf die Zeit nach 1933 zutreffe. Denn anhand einer überzeugenden Beispielrechnung kann dieser aufzeigen, dass 1932 nur jeder 60. NSDAP-Wähler im Besitz einer Ausgabe von "Mein Kampf" sein konnte. Für die Jahre nach 1933 untermauert er seine These anhand von zwei neu ausgewerteten Umfragen in der amerikanischen Besatzungszone aus den Jahren 1946 und 1947. Etwas schade ist dabei jedoch, dass der Autor diesen Ansatz lediglich als Aufhänger des entsprechenden Kapitels „Leser“ nutzt und danach zum Teil in Anlehnung an Othmar Plöckinger doch wieder eine Verbindung zwischen der "Lektürebereitschaft" und den - wenn auch nur "bruchstückhaft überlieferten" - "Ausleihzahlen" herstellt.

FAZIT: Eine kompakte, gut verständliche und an vielen Stellen kritisch hinterfragende Auseinandersetzung mit Hitlers unrühmlichen publizistischen "Lebenswerk".

Weitere Informationen sowie ein Blick ins Buch finden sich auf der Webseite des Verlags.

Matthias Jakob Schmid



Hardcover | Erschienen: 13. November 2015 | ISBN: 9783608948950 | Preis: 24,95 Euro | 367 Seiten | Sprache: Deutsch

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