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Eigene Empfindungen, körperlich oder seelisch, sind für Kinder oft sehr verwirrend, schwer einzuordnen und manchmal mit Schuld- und Schamgefühlen verbunden. Erst recht ist es schwierig zu begreifen, wie Babys entstehen und was man sich unter dem Begriff "Familie" vorstellen soll.
Das Aufklärungsbuch klärt nicht nur über Sexualität, Schwangerschaft und Geburt auf, sondern über verschiedene mit Emotionen behaftete Themen. Der erste Teil, "So mutig bin ich!", befasst sich mit dem, was die zur Zielgruppe gehörenden Kinder schon alles können, und womit sie in schwierigen Situationen, zum Beispiel beim ersten allein getätigten Einkauf, ihren Mut bewiesen haben. Der zweite Teil ist gerade aus Elternsicht besonders wichtig, sein Titel ist Programm: "Mein Körper gehört mir!" Darin geht es um die Veränderungen des Körpers, vor allem aber um körperliche Empfindungen, etwa beim Kuscheln, beim Kitzeln oder auch, wenn man gegen seinen Willen angefasst wird. Die wesentliche Botschaft, die sehr klar vermittelt wird, lautet: Niemand darf mich anfassen, wenn ich es nicht will! Und wenn jemand von mir angefasst werden will, ich es aber nicht möchte, weigere ich mich!
Ein Kapitel thematisiert die starken Gefühle, von denen Kinder oft beherrscht werden, Zorn, Angst, Traurigkeit, Enttäuschung, und zeigt auf, dass diese ganz natürlich sind und zum Leben gehören.
Die Aufklärung darüber, wo die Babys herkommen, erfolgt sehr behutsam und liebevoll. Es wird durchaus detailliert in Wort und Bild erläutert, wie und warum ein Mann und eine Frau, die einander lieben, miteinander schlafen, wie die Befruchtung der Eizelle erfolgt, nach und nach aus dieser ein Baby entsteht und schließlich geboren wird.
Im letzten Teil geht es um verschiedene Formen der Familie und darüber hinaus um das Verständnis von Familie: Sind nun Mama und Papa und gegebenenfalls die Geschwister meine Familie, oder gehören auch Oma, Opa, Onkel, Tanten, deren Partner und Kinder dazu?
Der Anhang bietet die Adressen einiger Beratungsstellen für Themen, die im Buch direkt oder indirekt berührt werden.
Manche Eltern mögen überrascht sein, in einem Aufklärungsbuch so viele Themen zu finden, die mit Sexualität und "Kinderkriegen" eigentlich gar nichts zu tun haben. Beginnt man mit der Lektüre, so stellt man erfreut fest, welch kluges Konzept dem Buch zugrunde liegt. Denn nur wenn Kinder ihr eigenes Gefühlsleben, ob physisch oder psychisch, richtig einordnen und begreifen können, verstehen sie auch zumindest ansatzweise, was Liebende dazu bringt, sich auf - aus Kindersicht - so eigenartige Weise miteinander zu befassen.
Liebe und Missbrauch liegen unter Umständen scheinbar dicht zusammen. Missbrauch wird zwar im Aufklärungsbuch nicht ausdrücklich thematisiert, Erwachsene verstehen aber sehr gut, was gemeint ist, wenn Zeichnungen und Text Kindern eindrücklich klarmachen, dass ihr Körper ihnen und nur ihnen gehört, unerwünschte Berührungen, in welche Richtung auch immer, tabu sind, und dass jedes Kind daher das Recht hat, laut zu sagen: "Fass mich nicht an! Ich will es nicht!" Das Buch arbeitet so gut auf diese zentrale Aussage hin, dass auch schüchterne Kinder dadurch lernen können, sich gegen Aufdringlichkeiten - es muss sich ja gar nicht um sexuelle Übergriffe handeln, auch der schlabberige Kuss von Verwandten gehört dazu oder zu intensives, unerwünschtes Kitzeln - zu schützen.
Einfühlsam und behutsam, aber sehr offen wird die Erotik zwischen dem fiktiven Pärchen Lars und Lisa dargestellt. Schöner können vermutlich nicht einmal die meisten Eltern das Thema erläutern, vor allem bietet das Buch innerhalb der Familie einen Ansatz, über "die schönste Nebensache der Welt" ohne Verlegenheit zu sprechen. Schwangerschaft und Geburt werden ebenfalls vorzüglich erklärt, sodass Vorschul- und jüngere Grundschulkinder sich gut vorstellen können, was im Bauch einer werdenden Mutter geschieht.
Etwas verwirrend ist das Kapitel über die Familie geraten. Hier wurde eindeutig zu viel an Personen, Formen des Zusammenlebens und Begriffe hineingepackt, als dass Fünf- oder Sechsjährige damit ohne aufwändige Erklärungen der Eltern zurechtkommen könnten. Hier ist man etwas über das Ziel hinausgeschossen.
Insgesamt handelt es sich um ein Buch, dessen Autoren und Illustratorin ihre Aufgabe ernst genommen haben. Es bietet Eltern eine Möglichkeit, ihren Kindern einerseits das Rückgrat zu stärken und andererseits mit ihnen über wichtige, oft hinterfragte Themen ins Gespräch zu kommen. Der Storch muss jedenfalls nicht mehr als Ausrede herhalten.