Morbus Sembten ist eine Sammlung von zehn Kurzgeschichten von Malte S. Sembten, bis auf eine wurden alle schon einmal veröffentlicht. Überwiegend handelt es um düstere Geschichten, aber eine reine Horror-Anthologie ist es nicht.

Den Anfang macht Die Krakelkult-Kampagne, diese cthuloide Geschichte ist auch im Buch Der Cthulhu-Mythos 1976 - 2002 enthalten. Eine interessante Übertragung des Cthulhu-Mythos in die Moderne, leider ist das Ende vorhersehbar und bietet dem Horror-Fan wenig Überraschendes. Der eigentliche Plot ist aber wirklich einfallsreich: Eine Werbeagentur bekommt den Auftrag, ein Symbol und einen Slogan weltweit bekannt zu machen, ohne dass klar ist, was diese beiden Dinge bedeuten. Die Agentur beginnt eine sehr moderne Kampagne und entdeckt dabei, dass es Kunstwerke gibt, die damit im Zusammenhang zu stehen scheinen. Der dafür verantwortliche Künstler ist Insasse einer psychiatrischen Klinik ist und birgt ein düsteres Geheimnis ...

Weiter geht es mit Blutgeld, einer netten kurzen Geschichte, die aber den geübten Horror-Fan wenig überraschen dürfte. Es geht um einen todkranken Mann, der ewig leben will ... Es folgt Rock the Road, eine abgedrehte und einfallsreiche Geschichte, deren Umfang sich zur ersten Veröffentlichung fast verdoppelt hat. Leider ist sie in der vorliegenden Fassung stellenweise einfach zu lang geraten. Horm der Ketzer ist so gelungen wie kurz. In einer fernen Welt steht jemand vor Gericht, weil er die Grundlagen des herrschenden Glaubens in Frage stellt. Eine gelungene und ziemlich deutliche Anspielung auf irdische mittelalterliche Tribunale und auf die Konfrontation zwischen Glauben und Wissenschaft.

In der folgenden Geschichte Der Spukpalast geht es dann um E. A. Poe und seine Hinterlassenschaften. Ein Sammler wird zum Forscher und gerät dabei in Welten jenseits unseres Vorstellungsvermögens. Diese Geschichte gehört zu den Highlights der Sammlung und ist nicht nur für Poe-Fans und -kenner empfehlenswert. Wahrhaft gekonnt vermischt der Autor Interpretationen von Poes Geschichten mit seiner eigenen. Den Wert der Poe-Interpretationen können natürlich nur Kenner überprüfen, aber spannend und atmosphärisch ist die Geschichte auf alle Fälle.

Nur wenige Seiten lang ist Kino der Gefühle, eine Geschichte um einen Mann im zweiten Weltkrieg auf Fronturlaub. Die Begegnung mit einer von der Gestapo verfolgten Frau wird sein Leben verändern ... Richtig hart geht es dann in Der Hautobiograph vom Grosvenor Square zu. Eine Frau wird von einem Mann gequält, wobei es anfänglich fraglich ist, ob er überhaupt ein Mensch ist. Laut Autor wurde diese Erzählung für ein SM-Magazin geschrieben, nachträglich aber wegen ihrer Härte abgelehnt. Der Leser fragt sich jedoch, ob nicht einfach die Darstellung von SM nicht gefiel. Denn die Geschichte ist wirklich sehr brutal und geht weit über SM hinaus, hier geht es um blutige Folter. Und ob sich eine Prostituierte ohne jede Absicherung einem Fremden völlig ausliefern würde? Interessanterweise wird diese Geschichte anscheinend von vielen Lesern als erotisch angesehen ... Eine in mehrfacher Hinsicht stark vom Geschmack des Lesers abhängige Geschichte.

Die Sammlung nähert sich dem Ende und die achte Geschichte Für eine Handvoll Euros behandelt die Möglichkeit des Zeitreisens. Ein nicht uninteressanter Plot, der aber die typischen Probleme von Zeitreisegeschichten beinhaltet und sehr kurz abgehandelt wird. Wiegenlied, die vorletzte Geschichte, weiß inhaltlich zu überzeugen, wenn sie auch sprachlich manchmal etwas hinkt. Ein junger Mann zieht in eine Wohngegend, in der alle Bewohner krampfhaft versuchen, nachts wach zu bleiben, und ja nicht in diese dunklen Träume verfallen wollen ...

Den Abschluss bildet eine kurze Zusammenarbeit mit Uwe Voehl: Geben ist seliger denn Nehmen, eine Weihnachtshorrorgeschichte. Unterhaltsam, man kann aber sehr wohl auch Konsumkritik herauslesen.

Insgesamt gesehen ist Morbus Sembten eine Kurzgeschichtensammlung mit guten Ideen und teilweisen Schwächen, sprachlich wie in der Umsetzung der Ideen. Vor allen geübte Leser von Horror-Literatur werden manchmal zu wenig von der Pointe überrascht. Aber Sembten geht eigene und neue Wege und das soll gewürdigt werden. Dass fast alle Geschichten schon veröffentlicht wurden, ist weniger ein Problem, da sie bei diversen Kleinverlagen und Magazinen erschienen sind. Wer jedoch wirklich den überwiegenden Teil der Geschichten schon sein Eigen nennt, muss für sich selbst entscheiden, ob ihm die Sammlung und die teilweise Überarbeitung der Geschichten das Geld wert ist. Leider ist der Preis wegen der geringen Druckauflage etwas hoch für weniger als zweihundert Seiten, vor allen, da es keinerlei Illustrationen gibt.