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Die Angst vor fremden Einwanderern begleitet die europäische Geschichte der letzten beiden Jahrhunderte. Dabei bleiben die Ängste sich ziemlich gleich, während die Einwanderergruppen wechseln. Die Gegenwart ist von einer Furcht vor einer muslimischen Einwanderungswelle geprägt. Viele Vorurteile, Stereotype und Rassismen gegen Muslime finden sich in den politischen und medialen Debatten der westlichen Länder. Doug Saunders unterzieht in seinem Buch "Mythos Überfremdung" viele islamophobe Thesen einer kritischen Analyse und kommt zu dem Ergebnis, dass kaum eine von ihnen stichhaltig ist.
Das gut 250-seitige Buch ist in vier Teile gegliedert. Im ersten beschäftigt sich Saunders mit den Ideen der rechtspopulistischen und antimuslimischen Parteien und Politiker in Europa und den USA, wobei er auch zeigt, wie sehr diese Ideen bis in die Mitte der westlichen Gesellschaften vertreten sind.
Im zweiten Abschnitt unterzieht er viele gängige Thesen einer statistischen Untersuchung. Beispielsweise zieht er eine Reihe von Studien heran, um zu zeigen, dass nichts für die Annahme spricht, Muslime würden durch hohe Geburtenraten irgendwann in auch nur einem westlichen Land die Mehrheit stellen können, oder dass sie konservativer oder fundamentalistischer eingestellt seien, als andere Bevölkerungsteile.
Das dritte Kapitel fasst einige historische Beispiele für ähnliche Reaktionen auf frühere Einwanderungswellen, wie von Katholiken oder Juden in Großbritannien, zusammen. Es soll zeigen, wie sehr die westlichen Gesellschaften mit denselben Reflexen auf völlig unterschiedliche Einwanderer reagierten und wie unberechtigt diese Ängste waren.
Der letzte Abschnitt schließlich behandelt die wirklichen Probleme aus Saunders Sicht. Hier geht es um die pauschalisierende Betrachtung aller Muslime und um Integrationsprobleme durch selektierende Wirtschafts- und Bildungssysteme.
Doug Saunders Buch "Mythos Überfremdung" ist ein aufklärerisches Buch, das durch wissenschaftliche Erkenntnisse gegen Vorurteile und irrationale Ängste anschreibt. Der Wert des Buches liegt in der nüchternen Analyse islamophober Thesen. Viele Statistiken und historische Argumente lassen schließlich wenig übrig von den antimuslimischen Thesen und Theorien eines Geert Wilders oder auch eines Sarrazins.
Saunders schreibt flüssig und überzeugend, ist an keiner Stelle aufgeregt, sondern bemüht sich um Sachlichkeit, egal wie abstrus die These ist, die er gerade widerlegt. So ist das Buch auch hervorragend zum Nachschlagen geeignet, wenn dem Leser mal wieder eine islamophobe These begegnet und ihm nicht gleich das geeignete Gegenargument einfällt. Gleichzeitig plädiert Saunders gerade im letzten Abschnitt für nicht-selektierende Wirtschafts- und Bildungssysteme, die erst eine Integration ermöglichen und eine Abschottung ganzer Bevölkerungsgruppen oder auch eine politische Radikalisierung einzelner Individuen verhindern können.
Die einzige Schwachstelle in Saunders Buch ist die ein oder andere Ungenauigkeit. So stellt er beispielsweise die Protokolle der Weisen von Zion als Werk eines russischen Beamten vor, ohne zu bemerken, dass der Ursprung dieser Fälschung geschichtswissenschaftlich nicht abschließend geklärt ist. Außerdem vergisst Saunders trotz seines internationalen Fokus, dass manche Begriffe in verschiedenen Ländern verschieden konnotiert sind. So überrascht es den deutschen Leser vielleicht ohne weitere Erklärung, dass in manchen anderen Ländern der Begriff multikulturell konservativ geprägt ist. Solche Kleinigkeiten schmälern aber an keiner Stelle die Überzeugungskraft des Buches.
Fazit: Ein engagiertes aufklärerisches Buch gegen Islamophobie und Fremdenfeindlichkeit, gegen unnötige Ängste und Aufregung. Es ist jedem zur Lektüre empfohlen.
Eine Leseprobe gibt es auf der Verlagswebsite.