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Der Titel "Over - Der American Way of Life oder Das Ende der Landschaft" ist These und Antwort zugleich. Denn auf dreihundertsechsunddreißig Seiten versucht der renommierte Fotograf und Autor Alex MacLean nicht weniger als zu beweisen, dass Amerika die Grundlage allen Lebens, die eigene Landschaft, mithin "Mutter Erde" in einem seit langem andauernden Prozess vernichtet - oder zumindest an vielen Stellen so weit schädigt, dass es nicht möglich scheint, dass diese furchtbar entstellte Landschaft jemals wieder einer nachhaltigen Bewirtschaftung zugänglich ist.
Der Autor versucht in neun Kapiteln sich dem Armageddon der Landschaft zu nähern. Aus einigen hundert Metern Höhe lässt er den Betrachter der Bilder teilhaben an einem Blick, der offenbart, schonungslos dokumentiert und nachhaltig desillusioniert. Dieses Volk, oder besser gesagt, seine Konsumenten, Häuslebauer, Stadtplaner, Nutzer und vor allem seine motorisierten Bewohner, entziehen sich selbst ihre Lebensgrundlage.
Nach dem einleitenden Kapitel "Atmosphäre" zeigen Luftbilder zu den Themen "Lebensstil", "Abhängigkeit vom Auto", "Stromerzeugung", "Bedrohte Wüsten", "Wasserverbrauch", "Anstieg des Meeresspiegels", "Abfall und Wiederverwertung" und "Stadtentwicklung", inwieweit die Amerikaner und Einwohner dieses riesigen Naturraumes daran arbeiten, eben diese Landschaft zu vernichten. Oder zumindest so nutzen, dass es augenscheinlich nicht immer so weiter gehen kann.
Dabei fällt sofort auf, welch ästhetischen Reiz die Bilder haben, die dieser begnadete Fotograf da aus seiner Cessna heraus macht. Es sind durchweg wunderschöne, beeindruckend scharfe, herrlich klare Bilder von erschreckender Faszination. Die gigantischen Ausmaße der Flächenvernichtung, die ungeheure Belastung der landwirtschaftlichen Nutzung, die monströsen Straßenfluchten, Schrottplätze, Autobahnen, Reihenhaussiedlungen und Wohnwagenstädte sind auf den ersten Blick einfach nur schön. Und schrecklich. Sie machen überdeutlich, worum es dem Fotografen mit diesem Buch geht.
[imgleft]images/UploadGrafiken/Over.jpg[/imgleft]Alex MacLean will aufrütteln, dokumentieren, flehen und bitten: "Hört auf, in der Wüste Golfplätze anzulegen! Hört auf, auf Höhe Null am Rande des Mississippi Wohnsiedlungen zu bauen! Hört auf, nur ans Auto zu denken! Hört auf, dem Boden Wasser zu entziehen, das nicht in tausend Jahren wieder in den Boden fließt! Hört auf, mitten in paradiesischen Landschaften Luxusvillen zu bauen! Hört auf, die Warnsignale zu ignorieren!"
Dies vermittelt er nicht nur durch seine einmaligen Fotografien, sondern auch mit kurzen, deutlichen und sehr informativen Texten. Gerade diese Erläuterungen verhindern ein bloßes Blättern und Anschauen. Sie führen in die Tiefe, geben den Fotos Halt und Aussage und erlauben es dem Betrachter, sie einzuordnen und zu bewerten.
Selten hat ein Buch mit so vielen wunderschönen Bildern so einen erschütternden Eindruck beim Betrachter erzeugt, ihn so ratlos, entsetzt und irritiert zurückgelassen. Das kann doch alles nicht wahr sein, so verrückt kann der Mensch doch nicht sein?
Fast noch schöner als der Schutzumschlag vermittelt das den festen Einband schmückende Foto eines Schrottplatzes die Grundthese dieses Buches. Dass es vorbei ist, dass die Landschaft schon lange jenseits des Guten ist, kurz vor der Katastrophe und unwiederbringlich zerstört.
Dieses Buch muss man einfach gesehen und gelesen haben. Zwar sind achtundfünfzig Euro kein Pappenstiel, aber diese Fotografien sind so einmalig, so schön, so entlarvend, dass man diese Hürde überspringen sollte, zumal die Druckqualität perfekt ist und die Fülle der Bilder ein Dutzend mittelmäßige Bildbände um Längen überragt.