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 Palast der Hoffnung


Cover
Gesamt +++--
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Humor
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Das Mahabharata ist das bekannteste indische Epos und wird von Historikern relativ vage auf einen Zeitraum zwischen 400 vor Christus und 400 nach Christus datiert. Das umfangreiche Heldenepos berichtet von einer Fehde zwischen zwei verwandten Fürstenfamilien, den Kauravas und den Pandavas. Die Geschichte besitzt stark spirituelle und religiöse Züge und vor allem die Männer spielen in ihr eine herausragende Rolle - dabei gibt es innerhalb der Dichtung auch sehr interessante Frauenfiguren, die das Schicksal der beiden verfeindeten Familien und den Ausgang der Geschichte maßgeblich beeinflussen. Dies sah auch die indische Autorin Chitra Banerjee Divakaruni so, und so schrieb sie die Geschichte aus einem völlig anderen Blickwinkel, nämlich aus der Sicht einer der involvierten Frauen, nochmals nieder:

Draupadi ist eine junge Königstochter, der seit ihrer Geburt das Schicksal vorherbestimmt ist, den Lauf der Geschichte zu verändern, während es ihrem geliebten Bruder Dhri bestimmt ist, die Ehre seines Vaters zu retten, indem er dessen größten Widersacher tötet. Draupadi, eingeschlossen in die Zwänge des höfischen Lebens und gewohnt an die eher untätige und schmückende Rolle der Frau, langweilt sich und fragt sich des Öfteren, wie sie den Lauf der Geschichte beeinflussen soll, wenn sie sich nur in der Enge des Palasts bewegen darf. So besucht sie eines Tages mit ihrer Amme einen Wahrsager, um sich ihre Zukunft voraussagen zu lassen.
Dieser offenbart ihr Dinge, die sie überraschen und vor allem entsetzen: Draupadi soll dereinst die fünf größten Helden ihrer Zeit heiraten und die Königin der Königinnen werden. Sie soll Herrin eines märchenhaften Palastes sein - den sie aber wieder verlieren wird. Neben Ruhm und Prunk wird sie unaussprechliches Leid erleben und vor allem verursachen, denn sie soll für den Tod von Millionen von Menschen verantwortlich sein.
Obwohl Draupadi den Wahrsager bittet, ihre Zukunft zu ändern und sich gegen das Kommende sträubt, lässt sich das Schicksal nicht aufhalten - und Draupadi, die von da an den Namen Panchali trägt, geht unaufhaltsam ihren Weg, der von Macht, Glück und großem Unglück gesäumt ist …

Bei diesem Roman macht es Sinn, das angeschlossene Nachwort der Autorin zuerst zu lesen, denn erst hier wird dem Leser offenbart, dass es sich um eine Nacherzählung der Mahabharata handelt; ein Teil der Mahabharata ist übrigens die Bhagavad Gita, die eventuell geläufiger sein könnte.
Für westliche Gewohnheiten ist die Geschichte sehr außergewöhnlich und teils auch schwierig zu verstehen, auch wenn die Autorin das komplexe Epos in einen Unterhaltungsroman verwandelt hat. Neben den Gegebenheiten der Geschichte, die ganz selbstverständlich Menschen und Götter vermischt - so ist etwa Draupadis enger Vertrauter Krishna eine Inkarnation des Gottes Vishnu -, tragen auch die für unsere Ohren sperrigen Namen dazu bei, dass man den Roman nur langsam und konzentriert lesen kann. In seine Handlung sind viele einzelne Mythen und Erzählungen integriert, die zum Beispiel Dhritarashtra seiner Schwester Draupadi berichtet und die die Hintergründe der Fehde beleuchten.
Die gesamte Handlung ist zwar zweifelsohne spannend - immerhin handelt es sich um ein großes, mystisches Epos -, doch gleichzeitig hält sie den Leser durch die Erzählform auf Distanz. Das Namensregister am Anfang des Buches ist sehr kurz geraten, und der Stammbaum der Hauptfiguren der Kuru-Dynastie ist außerordentlich verwirrend, wenn man das Epos nicht kennt. Wir besitzen einfach keinen Mythenschatz, in dem beispielsweise ein blinder König neunundneunzig Söhne bekommt oder in dem Menschen mit Waffen der Götter kämpfen.
Enthalten ist in "Palast der Hoffnung" eigentlich alles, was im Hinduismus eine Rolle spielt - Fragen von Schuld und Vergeltung, von Moral und Liebe, von Krieg und Frieden, von Wahrheit, Leben, Tod und Wiedergeburt. Die Autorin erzählt die Geschichte ansprechend, mit märchenhaften Einschüben und einer Fülle an Details, die einem die damalige Zeit in Indien durchaus nahe bringen - dennoch lässt sich das Fremde an dieser Erzählung nicht abschütteln, es sei denn, man ist sehr vertraut mit Indien und seinen Erzählungen.

Es fällt schwer, dieses Buch zu beurteilen. Zweifelsohne ist es Divakaruni gelungen, eine riesiges Epos auf einen unterhaltsamen Roman zu komprimieren und gleichzeitig eine völlig andere, faszinierende Sichtweise hervorzuheben: die einer der beteiligten Frauen. Die Sprache der Autorin ist behutsam, teils poetisch, aber dennoch klar; das Spirituelle der Geschichte bleibt dabei durchgehend erhalten.
Wer solcherart mystische Erzählungen mag, dem wird das Buch gefallen. Für diejenigen Leser, die eine geradlinige Geschichte erwarten, in der im Sinne eines historischen Romans einfach nur der Aufstieg einer jungen Königstochter beschrieben wird, könnte "Der Palast der Hoffnung" allerdings verwirrend und mühsam zu lesen sein. Von Vorteil ist es auf jeden Fall, sich bereits mit der indischen Kultur und ihrem Sagenschatz auseinander gesetzt zu haben, um Zugang zu dem Epos zu finden.

Christina Liebeck



Hardcover | Erschienen: 01. September 2008 | ISBN: 9783453290266 | Originaltitel: Palace of Illusions | Preis: 19,95 Euro | 429 Seiten | Sprache: Deutsch

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