Gesamt |
|
Anspruch | |
Aufmachung | |
Brutalität | |
Preis - Leistungs - Verhältnis | |
Spannung | |
Adam Bloom ist ein erfolgreicher Psychoanalytiker, hat eine wunderschöne Frau, eine wohlgeratene Tochter und ein tolles Haus. Umso größer ist der Schock, als eines Nachts Einbrecher bei ihm und seiner Familie eindringen. Adam, der zum Missfallen seiner Frau eine Pistole im Schlafzimmer aufbewahrt, erschießt einen der beiden Ganoven – in Notwehr und Panik, wie er meint. Tatsächlich aber leert er das gesamte Magazin und als sich dann noch herausstellt, dass der Getötete unbewaffnet war, stürzen sich die Medien auf den Fall und stellen Adam als gefährlichen Waffennarr dar, der am liebsten jeden sofort über den Haufen schießen würde. Es kommt noch schlimmer: Der zweite am Einbruch beteiligte Mann ist der charmante, aber psychopathische Johnny Long, der nun Rache für den Mord an seinem Kumpel schwört. Johnny wählt dazu einen besonders perfiden Weg: Er schmeißt sich an Adams Tochter Marissa heran, um sich das Vertrauen der Familie Bloom zu erschleichen – und sie dann zu vernichten.
In "Panik", dem neuesten Thriller von Jason Starr, tut der Autor, was er am besten kann: Er bringt einen vorher unbescholtenen Mann zu Fall und verwandelt sein Leben in einen Abwärtsstrudel. Die Art und Weise, wie Starr das vollbringt, ist großartig – der Roman beginnt ohne Umschweife mit dem verhängnisvollen Einbruch. Bis dahin ist der erste kurze Eindruck, den man als Leser von den Blooms gewinnen konnte, noch ausgesprochen gut. Sie sind wohlhabend, gebildet, erfolgreich. Doch hinter der Fassade brodelt es. Die 22-jährige Marissa ist nach ihrem Studium wieder zuhause eingezogen und lebt ihr eigenes, ziemlich orientierungsloses Leben. Ihre Eltern öden sie einfach nur an. Dana Bloom, für ihr Alter außergewöhnlich attraktiv, hat seit Monaten eine Affäre mit ihrem potenten, aber hirnlosen Fitnesstrainer. Und Adam Bloom hatte seinerseits eine Affäre mit der besten Freundin seiner Frau – im Bett der Blooms läuft schon lange nichts mehr. Jason Starr hat einen relativ nüchternen, trockenen Schreibstil, aber zwischen den Zeilen blitzt das Vergnügen durch, wenn der Autor gnadenlos die heile Welt der Blooms demontiert und einen Mann auf sie loslässt, der sich als Wolf im Schafspelz in die ohnehin angeschlagene Familie einschleicht, um ihr Vertrauen zu missbrauchen und sich zu rächen. Raffiniert ist dabei der häufige Wechsel der Perspektiven. Mal berichtet Starr aus Johnnys Sicht, mal aus Marissas, mal aus der der Haushälterin der Blooms. So kann der Leser in alle Köpfe hineinschauen und ist den Handelnden immer etwas voraus. Zu gerne würde man den Blooms zurufen, wen sie sich da ins Haus geholt haben - doch zu spät.
Grandios ist Adam Bloom dargestellt. Der Psychoanalytiker versucht mit aller Gewalt, seine Berufserfahrung auch in seiner eigenen Ehekrise anzuwenden, was gnadenlos schief geht. Wenn Adam mit Dana in betont vernünftigem Ton redet, wie empfohlen Ich-Sätze benutzt und pauschale Schuldzuweisungen vermeidet, wenn er ständig alles und jeden analysiert und von "passiver Aggressivität" spricht, dann kann man als Leser nur die Augen verdrehen und selbst aggressiv werden. Denn hinter dem verständnisvollen, treusorgenden Ehemann steckt ein eitler Geck, der sich lächerlich benimmt. Nachdem er den glücklosen Einbrecher mit zehn Schüssen buchstäblich durchlöchert hat, hat Adam Bloom nur eins im Sinn: Wie wird er in der Öffentlichkeit dastehen? In seiner Fantasie sieht Bloom sich als strahlenden Helden mit eigener Talkshow – doch natürlich trifft das genaue Gegenteil ein.
Auch mit der Beschreibung von Blooms bösem Gegenspieler, dem wahnsinnig gut aussehenden Johnny Long – allein der Name ist eine Parodie -, ist Starr ein Meisterstück gelungen. Zwar schlägt Long sich vorwiegend mit harmloseren Betrügereien durchs Leben (er verführt Frauen und bestiehlt sie danach, wenn sie schlafen), aber er scheint ein halbwegs ehrenwerter und vor allem sehr charmanter Ganove zu sein. Dass hinter Johnnys Fassade ebenfalls etwas ganz anderes steckt und dass er eine furchtbare Kindheit hatte, blitzt immer wieder durch – etwa wenn er beiläufig und eiskalt Menschen ermordet oder wenn der Hass auf die Blooms und ihr sorgenfreies Leben in ihm hochkocht.
Starrs Figuren sind allesamt sehr stereotypisch – der hübsche Psychopath, die unglückliche Ehefrau, der tumbe Fitnesstrainer, die aufmüpfige Tochter, der selbstherrliche Psychotherapeut -, aber weil der Autor diesen amerikanischen Traum so genüsslich auseinandernimmt, stört das beim Lesen nicht, sondern passt genau.
Nach der sorgfältigen und von langer Hand geplanten Geschichte mit dem bösen Racheplan kommt das Ende mit seinem gewaltsamen Showdown etwas zu schnell und zu überdreht. Nachdem Starr zunächst alles so langsam entwickelt, hätte er sich am Ende ruhig noch etwas Zeit lassen können, um alles aufzulösen – aber auch so ist "Panik" ein ziemlich genialer Thriller, der, hat man sich an den nüchternen Stil gewöhnt, ein boshaftes Leseerlebnis mit ironischen Untertönen verspricht.