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Ein beneidenswert gutes Händchen hat der deutsche Verlag Ulisses Spiele bewiesen, als er sich im vergangenen Jahr die Rechte der D&D-Weiterentwicklung "Pathfinder" aus dem Hause Paizo sicherte. Damals war in Deutschland gerade erst die (bis heute umstrittene) vierte Regeledition von Dungeons&Dragons erschienen. Nun, ein gutes Jahr später ist die Lage eine völlig andere: die D&D 4th Edition ist nach Lizenzentzug vom deutschen Markt verschwunden, und Ulisses präsentiert stolz sein schickes Grundregelwerk für "Pathfinder", das damit nun die einzige aktuelle deutschsprachige D&D-Variante darstellt.
"Pathfinder" stellt eine Weiterentwicklung der beliebten Edition 3.5 von D&D dar. Dank der OGL (Open Game License) konnte Paizo die originalen Regeln weiterverwenden und modernisieren. Dies geschah in einer langen offenen Testphase, aus der ein Betaregelwerk hervorging (es lässt sich umsonst als PDF auf der Paizo-Seite herunterladen). Nach einem letzten Feinschliff wird nun die Endfassung präsentiert, und das nahezu zeitgleich auf englisch und auf deutsch.
"Pathfinder" kommt in edler Aufmachung daher. Ein tolles, krachiges Cover und ein wirklich schönes Layout mit vielen imaginativen Illustrationen verzaubert vom ersten Augenblick an. Der Inhalt ist freilich klassisch: nach einer allgemeinen Einführung in das Rollenspiel folgt die Charaktererschaffung. Sieben Völker kennt Pathfinder; es sind die alten Bekannten Elfen, Gnome, Halblinge, Menschen und Zwerge sowie diverse Mischformen. Auch die Charakterklassen kommen einem bekannt vor; vom Barbar bis zum Barden, vom Kämpfer bis zum Magier und Paladin ist alles dabei, was eine D&D-Kampagne benötigt. Neu ist jedoch, dass die Klassen mit vielen neuen Extras und Zusatzfähigkeiten ausgestattet wurden und damit sehr viel reizvoller zu spielen sind. Sie unterscheiden sich im Spielstil teilweise völlig; ob man nun auf die Kampfrauschkräfte des Barbaren zurückgreifen will oder über die Drachenblutlinie eines Hexenmeisters verfügt, prägt das ganze Spiel.
Die Regeln selbst unterscheiden sich übrigens kaum von D&D 3.5, und so folgen auch die weiteren Kapitel dem bekannten Arsenal des berühmten Urvaters. Eine Vielzahl an Fertigkeiten und Talenten stehen für die aufstrebenden Recken bereit, ein üppiges Ausrüstungskapitel lädt zum Einkauf ein. Gesinnungs-, Magie- und Kampfregeln sind nahezu gleich geblieben. Gerade letztere überzeugen nach wie vor durch taktische Vielfalt und die Betonung auf knallige Action. Ausgesprochen cool sind die Prestigeklassen aus Kapitel 11, die man alternativ zu den übrigen Klassen verwenden kann, sofern man die hohen Voraussetzung erfüllt. Ein arkaner Bogenschütze, Assassine oder Mystischer Theurg macht schon was her am Spieltisch ...
Etwas knapp ausgefallen ist hingegen das Kapitel für Spielleiter. Hier werden auf knapp zehn Seiten nur Gemeinplätze ausgetauscht; wirkliche Tips zur Abenteuergestaltung erfährt man kaum. Ergiebiger sind die Kapitel über die Umgebung (die natürlich auch auf etwaige Kampfmanöver schielt) und über die NSC-Erschaffung. Und dann wäre da noch das finale Kapitel über magische Gegenstände, von denen fast jedes ein eigenes Abenteuer wert ist.
Was aber ist denn nun das Besondere an Pathfinder? Zunächst einmal ist festzuhalten, dass dieses Spiel ganz klar auf den Regeln für D&D 3.5 beruht. Wer dieses Spiel sein eigen nennt, wird sich vermutlich fragen, ob und wozu der "Pathfinder" braucht. Tatsache ist, dass sich mit "Pathfinder" nahezu alle Bücher für 3.5 weiterverwenden lassen, denn die Unterschiede der Regeln und Werte sind marginal. Das wird vor allem den Sammler freuen, der sich nicht zm Umstieg auf die umstrittene 4. Edition entscheiden konnte. Zugleich kommt "Pathfinder" entrümpelter daher, und gerade der Fokus auf die Rassen und Klassen bringt schon bei der Charaktererschaffung neuen Schwung. Hinzu kommt die wirklich schöne Optik des Buchs, die modern wirkt und auf weitere Publikationen hoffen lässt.
So sehr das Buch auch begeistert, ein paar Kritikpunkte müssen genannt werden. Da wäre zunächst das verwendete Papier, das etwas filigran wirkt (fast erinnert es an die hauchdünnen Seiten der deutschen Rolemaster-Ausgabe). Man kann es nicht oft genug betonen: gerade bei einem Grundregelwerk, das häufiges Blättern erfordert, sollte ein robusteres Material selbstverständlich sein. Hinzu kommt das etwas lieblos wirkende und zudem schlecht kopierbare Charakterblatt. Man hätte hier besser einen eigenen Pappbogen zum Kopieren beigelegt. Und dann wären da noch die doch auffällig häufigen Übersetzungs- und Rechtschreibfehler zu kritisieren, die man so von Ulisses eigentlich nicht kennt (so ist zum Beispiel das gesamte Zauberspruchkapitel noch immer mit dem englischen Begriff "Spell" gekennzeichnet, und im Text finden sich immer wieder nicht übersetzte Begriffe). Hier hat der Wille, das deutsche Regelwerk fast gleichzeitig mit der englischen Originalausgabe zu veröffentlichen, für Schludrigkeit gesorgt. Das muss besser werden!
Abgesehen davon ist das "Pathfinder"-Grundregelwerk ein grosser Wurf: bildhübsch anzusehen, tolle, traditionell gehaltene Regeln, ein durchdachtes und nachgereiftes System, und vor allem - endlich wieder eine groß angelegte D&D-Variante auf dem deutschen Markt. Wer noch 3.5 spielt, kann aufgrund der geringen Änderungen zwar verzichten (es sei denn, er möchte angesichts kommender Publikationen up-to-date bleiben). Wer hingegen neu (oder wieder) in den Kosmos von D&D einsteigen will - ein Spiel, das sich ja deutlich vom hiesigen Platzhirschen DSA, ironischerweise ebenfalls bei Ulisses beheimatet, unterscheidetet -, kann hier nichts falsch machen. Alles in allem ein toller Start für das deutsche "Pathfinder", dem man eine große Zukunft voraussagen kann.