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Sommer, Sonne, Ferienzeit. Jeder freut sich auf den Urlaub, egal, wo es hin geht. Dabei belächeln sich die einzelnen Gruppen gerne. Die einen verstehen nicht, wie man seinen Urlaub mit hunderten unbekannten Menschen verbringen kann, die anderen finden einen individuellen Urlaub ohne neue Gesichter langweilig.
Nikolas gehörte, was Urlaub anging, bislang eher zur zweiten Sorte: Urlaub gerne, aber bloß nicht All-inclusive. Zu dumm, dass die zündende Idee bei einer Redaktionssitzung seiner Zeitung ausgerechnet von ihm kommt und beim Chef auf Gegenliebe stößt: Zusammen mit Nina, der angeblichen Geliebten des Chefs, die sonst in der Redaktion auf wenig Gegenliebe stößt, soll Nikolas die Touristenhochburgen dieser Welt testen. Nie besser als drei Sterne, immer all-inclusive. Inklusive reichlich Alkohol umsonst, Kakerlaken, aufdringlicher Einheimischer, Prostituierten mit schlagkräftiger Begleitung, korrupter Landespolizei, krimineller Ostdeutscher, minderjähriger Eroberungen und Liebesschmerz.
Sechs Wochen lang reisen Nikolas und Nina gemeinsam, entdecken, dass der jeweils andere doch ganz ok ist, freunden sich an und stehen so manche Probleme privater Natur durch – denn egal wo man ist: Der Stress von zuhause begleitet einen doch immer.
Tom Liehr zeichnet ein herrliches Bild des typischen Cluburlaubs. Manches wirkt hoffnungslos überzeichnet und gerade deswegen realistisch – einige Geschichten schreibt eben einfach nur das Leben. Wie die beiden Redakteure die verschiedenen Betten und Alkoholsorten von Mallorca bis Ägypten testen ist sensationell komisch und dürfte so manchem geplagten Urlauber den All-inclusive-Urlaub erleichtern. Und wenn nur deshalb, weil man sich rebellisch genug fühlt, um die reservierten Liegen zu erstürmen.
Viele der im Buch vorkommenden Klischees kennt wirklich jeder, auch wenn er noch nicht in solch einem Urlaub war, sei es der schlechte Kaffee, der billige Alkohol, die genervten Angestellten oder der verlorene Koffer. All die Situationen, die jeder zumindest von Hörensagen kennt, werden so schön aufs Korn genommen und teilweise mit bitterbösen Sarkasmus geschildert, dass man sich wünscht, die Reise der beiden Redakteure würde nicht sechs Wochen, sondern sechs Jahre dauern – Stoff genug gibt es auf der Welt bestimmt noch für die beiden.
Bei aller Komik: Ins Lächerliche spielt der Roman nie. Zwar sind manche der Urlauber, auf die die Protagonisten treffen, wirklich wandelnde Klischees, aber immer menschlich und aus dem Leben gegriffen. Billige Überzeichnungen, wie man sie sonst oft bei Autoren findet, die witzig sein wollen, gibt es hier nicht. Eher den wirklichen Witz des Lebens, der einem an jeder Straßenecke begegnen kann, wenn man nur die Augen offen hält. Auch die Ernsthaftigkeit kommt nicht zu kurz. Durch Nikolas’ und Ninas eigene Geschichten und Probleme, die ebenso echt wirken wie die Erlebnisse auf ihrer Reise, ist auch dafür gesorgt. Tom Liehr schafft es, immer den richtigen Ton zu treffen, nie eine Situation unangemessen witzig darzustellen, nie übertrieben ernsthaft. Allein für diesen Schreibstil, der immer die richtigen Wörter findet, lohnt es sich, das Buch zu lesen - sogar, wenn man mit Urlaub gar nichts am Hut haben sollte. Solche Dialoge darf man nur selten lesen. Immer wieder werden sie den Leser zum Lachen bringen, das einem mit dem nächsten Satz wieder im Halse stecken bleibt. Eine Achterbahnfahrt der Formulierungen, anders kann man es nicht beschreiben. Eine Achterbahnfahrt, die sich auch in der Handlung niederschlägt. So viel passiert selten in so kurzer Zeit. Fast fühlt man sich wie in einem geschriebenen Musikclip, in dem ein Ereignis das nächste jagt, ohne das eines davon zu kurz kommt.
Für jeden, der den Urlaub noch vor sich hat, eine ideale Lektüre, egal, ob man sie am Hotelpool auf einer reservierten Liege liest oder auf einer einsamen Insel am Privatstrand. Aber auch für Zuhause-gebliebene ein tolles Buch, zeigt es einem doch, dass Urlaub auch nicht so toll ist, wie man ihn sich immer ausmalt.