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Trond ist hierher gekommen, um nie wieder fortzugehen. Sein Leben wird hier zu Ende gehen. Ohne Erschütterungen, ohne dramatische Wendungen, irgendwann. Sein Beruf, sein Leben in der Stadt, seine Kinder lässt er zurück. Doch inmitten der norwegischen Provinz, fernab vom modernen Leben, erinnert sich Trond.
Der Sommer 1948 ist für Trond die schönste Zeit seines Lebens. Er ist mit seinem Vater in die Hütte gezogen, um Bäume zu roden, bei der Heuernte zu helfen und mit Jon, seinem Freund, die Tage zu verbringen. Doch seine Kindheit, sein bisheriges Leben endet in diesem Sommer. Der Bruder seines Freundes kommt durch eine Unachtsamkeit Jons ums Leben, der Freund selbst verschwindet, der Vater ebenso. In diesem Sommer laufen alle Fäden zu Tronds Leben zusammen, endet alles und nimmt alles seinen Anfang. Dieser Sommer 1948 ist Tronds wahrer Schatz. Bitter und traurig, schön und belebend, melancholisch und unsterblich.
Per Petterson legte mit
Pferde stehlen ein Buch vor, das im Februar 2006 in deutscher Sprache erschien und bereits im August des selben Jahres als Hörbuch erhältlich ist.
Nach den hymnischen Kritiken, den über die Maßen positiven Äußerungen von Lesern und Presse sollte der Hauptaugenmerk auf der Umsetzung liegen.
Grundsätzlich bemerkenswerteste Tatsache ist die ungekürzte Verwendung des Textes. Gerade die Länge, die elegische, teils fast ausufernde Ruhe der Beschreibungen hätte leicht zu einer Kürzung verführen können. Und zu einer Minderung der Wirkung.
Die ruhige Erzählweise, wundervoll betont und verstärkt von Walter Kreyes sonorer, angenehmer Stimme, verführt zum Träumen. Diese Literatur ist wie ein Schluck alter, guter Wein. Es ist ein Genuss sich ihr langsam zu nähern, sprich den Kern der Geschichte in langsamen Schritten vermittelt zu bekommen. Die Raffinesse und virtuose Fähigkeit des Autors, die Zeitebenen zu trennen und zu vereinen, sie getrennt zu beschreiben und doch zu einer Einheit werden zu lassen, ist durch Kreyes Art vorzutragen, fast zögernd preiszugeben, zu einem Meisterwerk geronnen.
Dieses Buch zu lesen ist bereits ein kaum zu überbietender literarischer Gewinn. Aber es sich anzuhören ist wie ein Traum. Kreye lässt ein Norwegen der Nachkriegszeit vor dem inneren Auge des Hörers entstehen, lässt einige Menschen zu wirklichen Personen werden, vermittelt den Wert der Kindheit und die Bedeutung der Erinnerungen in uns, schafft quasi nebenbei ein Gefühl von Glück und Zufriedenheit. Ohne zu moralisieren, ohne Lebensweisheiten von sich zu geben entsteht in den Gedanken des Hörers die Hoffnung, das eigene Leben mehr Wert zu schätzen, es anzunehmen, die Entscheidungen, die es einem abverlangt, mit zu tragen und die Dinge, die es einem aufzwingt, zu ertragen - mit innerer Größe und Entschlossenheit, nicht wie ein Boot im Fluss treibend, sondern wie ein Steuermann, der Klippen, Stromschnellen und Untiefen zu meiden weiß. Aber dabei der unvermeintlichen Richtung der Strömung selbstbewusst und selbstbestimmt folgend.
Die Komplexität der Erzähl-Ebenen dieses Romans ist dank Petterson und Kreye zu einer wundervollen Komposition verwoben, die den Preis unbedingt wert ist. Selten ist ein Stück erstklassiger Literatur so perfekt in ein anderes Medium umgesetzt worden.
Fazit: Das Highlight des Hörbuchherbstes 2006 ist eindeutig Pettersons
Pferde stehlen. Diesen 450 Minuten lange Genuss sollte sich niemand entgehen lassen.