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Die Lehrerin Emanuela erzählt den Kindern jeden Tag von den Tieren. Sie ahmt mit ihnen die verschiedenen Tierlaute nach und hängt Bilder verschiedener Tierrassen im Klassenzimmer an die Wand. Dafür wird sie von vielen Kindern verspottet. Denn hier, in diesem kleinen Dorf, eingeschlossen zwischen Bergen und dichten Wäldern, gibt es keine Tiere. In den hohen Bäumen singt kein Vogel, im Fluss schwimmen keine Fische, auf den Höfen bellt kein Hund und es picken auch keine Hühner Körner auf. Früher, vor einigen Jahren, lange, bevor die Kinder auf die Welt kamen, gab es hier Tiere. Doch eines Nachts sind sie plötzlich verschwunden und nicht mehr wiedergekommen. Niemand weiß, wohin sie gegangen sind. Es heißt, dass Nehi, der Bergteufel, die Tiere entführt habe und weit weg mit auf sein Schloss genommen hat. Deswegen verschließen die Erwachsenen wenn es dunkel wird Türen und Fenster, denn Nehi kommt auch jetzt noch manchmal hinunter ins Tal und nimmt diejenigen mit, die er im Dorf in der Dunkelheit finden kann.
Maja und Mati, zwei Kinder aus dem Dorf, teilen ein kleines Geheimnis. Das macht sie zu etwas Besonderem und deswegen fühlen sie sich auch denen näher, die im Dorf als absonderlich gelten. Der alte Almon zum Beispiel, der früher Fischer war und nun Gemüse in seinem Garten zieht. Es vergeht kein Tag, an dem er nicht auf dem Feld mit seiner Vogelscheuche streitet, die er aufgestellt hat, obwohl es keine Vögel gibt. Auch die Bäckerin Lilja gilt als seltsam, da sie die Reste, die sie abends nicht verkauft hat, zerkrümelt und auf den Weg streut, obwohl kein Vogel sie aufpicken wird. Dann gibt es noch den alten Ginom, der meckert wie eine Ziege und Nimi, der ein paar Tage im Wald verschwunden war und sich nun benimmt wie ein junges Fohlen. All diesen Menschen fühlen sich Maja und Mati nahe, denn auch sie sind anders als die anderen im Dorf. Beide Kinder haben im Fluss einen echten lebendigen Fisch gesehen, der sie angeblickt hat und rasch davongeschwommen ist. Deswegen beschließen sie, in den verbotenen Wald zu gehen und nach den Tieren zu suchen, damit keiner der Dorfbewohner mehr traurig sein muss.
Amos Oz erzählt von einem kleinen abgelegenen Dorf, das düster und traurig ist. Vor langer Zeit sind alle Tiere daraus verschwunden und die Kinder, die geboren wurden, haben noch nie eines gesehen. . Nur Maja und Mati, die beiden Hauptfiguren, wollen sich nicht mit dieser Tatsache abfinden. Mutig entschließen sie sich, herauszufinden, weshalb all die Tiere verschwunden sind und ob die Schuld daran, nicht doch vielleicht bei den Erwachsenen lag.
Doch dieses Buch beinhaltet mehr als die Geschichte, die es erzählt. In seinen zarten, schlichten Worten verbirgt Amos Oz eine weitaus größere Nachricht. Sie handelt von der Grausamkeit der Menschen und der Einsamkeit, die daraus entsteht. Wie in diesem Bergdorf, gibt es auch in jeder anderen Gemeinschaft Außenseiter, denen es verwehrt wird, dazu zugehören. Und man muss sehr viel Mut aufweisen, um diese Ungerechtigkeit zu erkennen und dagegen anzugehen. Gerade durch die so einfache und klare Sprache, wird die Eindringlichkeit dieser Botschaft deutlich. Offen wird aufgezeigt, dass in jeder Gemeinschaft derjenige, der anders ist, gemieden wird.
Allerdings beweist diese Geschichte für Erwachsene, die sich selbst Märchen nennt, dass keine Veränderung selbstverständlich und selbst die Änderung zum Guten voller Opfer ist. Im Buch heißt es so schön, dass die Bewohner ihre Tiere vermissen, doch gleichzeitig wird aufgezeigt, dass sie damit nicht alle meinen. Sicher sind sie froh, wenn die Pferde, die Hühner, die Vögel und die Katzen wiederkehren. Aber die Spinnen, die Ameisen, die Ratten, die Wölfe, die sollen doch bitteschön bleiben, wo sie sind. Natürlich wäre diese Welt eine bessere, wenn die Menschen ihre Selbstgerechtigkeit aufgeben würden, um eine wirkliche Gemeinschaft zu bilden, in der jeder einen Platz hat. Doch nach dem Lesen dieses Buches wird dem Leser schnell klar, dass die Menschheit dazu noch nicht bereit ist. Man kann darauf hinarbeiten und davon träumen, doch bis zum Ziel ist es noch ein langer Weg.
Auch wenn diese Erzählung als Märchen deklariert ist, ist sie keineswegs eine Gute-Nacht-Geschichte für Kinder. Sie ist ein Aufruf an erwachsene Leser, denn Botschaften tun lange nicht so weh, wenn sie in Rätsel gepackt werden. So dünn dieses Buch auch ist und so schnell dessen Seiten auch gelesen sind, hallt seine Botschaft doch lange im Geist nach. Ein wirklich bemerkenswertes Werk, das hoffentlich viele Leser findet.