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"Das Sachbuch wurde (und wird immer noch) kaum als eigenständiges literarisches Genre wahrgenommen", schreiben die Herausgeber Annett Gröschner und Stephan Porombka in ihrem Vorwort zur "Poetik des Faktischen". Es gibt einige Gründe, warum Sachbücher und ihre Autoren von den Literatur- und Kulturwissenschaften weitgehend unbeachtet geblieben sind, ihrer Bedeutung - sowohl was die Präsenz auf dem Buchmarkt angeht als auch die Rolle als Vermittler zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit - wird das allerdings nicht gerecht.
Mit Hilfe von qualitativen Interviews in Form von Werkstattgesprächen wollen die Herausgeber sich einer Facette des faktographischen Schreibens annähern. In Werkstätten werden mittels bestimmter Werkzeuge und Techniken Dinge geschaffen, und genau dieser Schaffensprozess ist die Facette, die die Herausgeber interessiert und der sie nachspüren wollen. Damit sind diese Gespräche nicht nur aus kulturwissenschaftlicher Sicht interessant, sondern vor allem auch aus handwerklicher, sodass "Poetik des Faktischen" besonders für Autoren oder solche, die es werden wollen, interessant ist.
Zehn Gespräche findet man im Buch, die allerdings nicht nur mit Sachbuchautoren geführt wurden, sondern auch mit Autoren anderer Formen das Faktographischen. So beschreiben Andres Veiel und Gesine Schmidt beispielsweise den Entstehungsprozess ihres Theaterstückes "Der Kick", das einen Mord im uckermärkischen Potzlow bearbeitet. Jürgen Teipel spricht über seinen Überraschungserfolg "Verschwende deine Jugend", für das er Interviews mit fast einhundert Personen geführt, transkribiert und schließlich Bruchstücke collagenartig zusammengefügt hat. Ernst Peter Fischer geht es vor allem darum, (s)ein Publikum mit den Naturwissenschaften vertraut zu machen und dabei auch die "ästhetischen Momente" in den Wissenschaften herauszustellen, denn er "wünscht sich eine Wissenschaft, die bewusst literarisch, ja poetisch wird." Christoph Dieckmann ist Reporter der ZEIT und bewegt sich in seinen Reportagen und Büchern zwischen Journalismus und Literatur und verbindet beide. Weitere Gesprächspartner sind Michael Rutschky, Wolfgang Engler, Stefan Klein, Ulrich Enzensberger, Burkhard Spinnen und Kathrin Röggla.
Insbesondere aus handwerklicher Sicht, also aus Autorenperspektive, sind diese Werkstattgespräche interessant. Die zehn Interviews vermitteln alle einen Einblick in die Arbeitsweise von Autoren, die sich mit dem Faktographischen auseinandersetzen, und schärfen den Blick für die unendlichen Möglichkeiten, die dort liegen. Natürlich sind die Autoren selektiert worden und nicht generell mit "Sachbuchautoren" gleichzusetzen. Ihre Herangehensweise ist immer auch eine literarisch ästhetische, was unter anderem bedeutet, dass die Form ihrer Arbeiten wohl überlegt ist.
Je nach Leser und Gesprächspartner sind natürlich einige Interviews spannender und lehrreicher als andere. Die Form der qualitativen Interviews aber ist gut gewählt, denn so kommt man den verschiedenen individuellen Prozessen des Arbeitens sehr nahe. Andererseits verspürt man als Leser hin und wieder den Drang zu intervenieren, wenn der Interviewer nicht nachhakt, wo man als Leser gern nachgehakt hätte, oder Fragen nicht stellt, die einen als Leser interessieren. Das stört dann ein wenig den Lesefluss, allerdings kann man wohl nicht erwarten, dass die Fragen aller potenziellen Leser gestellt und beantwortet werden.
Aus handwerklicher Perspektive ein hilfreiches und interessantes Buch, das die Augen für die Möglichkeiten des Faktographischen öffnet und Einblicke in individuelle Arbeitsprozesse und individuelle Auseinandersetzungen mit verschiedenen Themen bietet. Es wird keine generelle Arbeitsanleitung offeriert, sondern es wird im Leser ein Prozess der Auseinandersetzung mit faktographischer Literatur in Gang gesetzt.