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Wahlkämpfe sind besondere Zeiten in der Demokratie. Politik und politische Kommunikation verdichtet sich. Konflikte und Gegensätze werden betont. Parteien und Politiker investieren ihre gesamte Kraft darauf wahrgenommen zu werden und zu überzeugen. Wahlkämpfe sind aber immer auch Events, haben einen Unterhaltungswert, üben Faszination aus, fernab jeder politischen Sachauseinandersetzung. In diesem Spannungsfeld, zwischen Sachlichkeit und Propaganda, pendelt die politische Auseinandersetzung in demokratischen Massengesellschaften. Thomas Mergel hat die Kulturgeschichte des deutschen Wahlkampfs untersucht.
In seinem Buch "Propaganda nach Hitler: Eine Kulturgeschichte des Wahlkampfs in der Bundesrepublik. 1949-1990" schreibt Mergel wie insbesondere CDU und SPD nach dem Zweiten Weltkrieg Wahlkämpfe bestritten haben. Der Fokus liegt dabei auf den Bundestagswahlen. In vier Kapiteln fasst der Autor seine Forschungsergebnisse zusammen. Zunächst gibt er einen Überblick über die Wahlkämpfe im Kaiserreich und in der Weimarer Republik. Dem folgen transfergeschichtliche Darstellungen, inwiefern die USA oder Skandinavien als Vorbild dienten für Parteistrategen in Deutschland.
Im zweiten Kapitel wird die Entwicklung des Marketing und des politischen Stiles in der Bundesrepublik untersucht. Veranstaltungsformate und Plakatgestaltung etwa spielen hier ebenso eine Rolle wie der Umgang mit den Medien oder die Personalisierung der Politik. Der dritte Abschnitt beschäftigt sich mit der Konfliktkultur während der Wahlkämpfe. Zwischen Sachlichkeit und offensiven polemischen Umgang mit dem politischen Gegner haben sich Wahlauseinandersetzungen immer wieder verändert. Im Schlusskapitel stehen schließlich die 1980er- und 1990er Jahre im Mittelpunkt, die der Autor unter der Fragestellung einer "verspäteten Amerikanisierung" anreißt.
Im Anhang findet sich ein Quellen- und Literaturverzeichnis sowie ein Register. In der Mitte des Buches sind einige farbige Abbildungen vorhanden.
Thomas Mergels Buch "Propaganda nach Hitler - Eine Kulturgeschichte des Wahlkampfs in der Bundesrepublik. 1949-1990" ist eine solide und umfassende Studie über ein sehr spannendes Thema. Fundiert arbeitet der Autor für alle denkbaren Aspekten der bundesrepublikanischen Wahlkampfkultur die Entwicklungen heraus. Dabei erläutert er die Motivationen der Handelnden, also der Politiker, Politikberater, Wahlkampfstrategen und Agenturen stets vor ihrem ideologischen Hintergrund.
Ein Großteil des Textes ist der systematischen Erzählung der Geschichte gewidmet. Wann haben die Parteien welche Formen und Mittel angefangen einzusetzen? Der Leser erfährt beispielsweise, wann die CDU damit anfing, Umfragen in Auftrag zu geben und die Demoskopie für ihre Strategieentwicklung heranzuziehen, oder wie sich der Einsatz von Druckerzeugnissen über die Jahrzehnte für die beiden Volksparteien entwickelt hat.
Darüber hinaus berichtet Mergel immer wieder von den konzeptionellen und ideologischen Diskursen unter Politikern und anderen Akteuren des Wahlkampfes. Zwischen Sachlichkeit auf der einen Seite und Polemik und Emotionalisierung durch die Vermittlung der Politik als Event auf der anderen Seite verlaufen die Fronten in allen Parteien. Die Orientierung auf Inhalte oder auf Personen ist ebenfalls ein kontinuierlicher Streitpunkt. Alle Diskurse um die Wahlkampfstrategie sind insbesondere in der Frühphase der Bundesrepublik von dem Beispiel der Weimarer Republik und des Dritten Reiches geprägt, weswegen Personalisierung und Emotionalisierung als Strategie immer auf starken Widerstand derjenigen stieß, die sich eine sachorientierte politische Kultur wünschten. Zugleich und bis in die Gegenwart zieht sich der starke Einfluss aus dem Ausland, vor allem die Wahlkämpfe in den USA und in Schweden sind für die bundesrepublikanische Entwicklung wichtig gewesen, wobei Neuerungen aus den USA immer auch auf einen Antiamerikanismus von deutscher Seite stießen.
Mergel ist allenfalls vorzuwerfen, dass seine Studie nicht besonders aufregend geschrieben ist. Auch wäre angesichts des Themas sicher noch einiges mehr an Bildmaterial interessant gewesen. Aber das Buch ist fundiert und gut lesbar und bietet allen am Thema Interessierten eine hervorragende Einführung.