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Luise Pogge, von allen Pünktchen genannt, wirkt neuerdings immer sehr müde. Sie hat tiefe Ränder unter den Augen und gähnt verstohlen. Berta die Köchin verdächtigt die neue Gouvernante, nicht gut genug auf Pünktchen aufzupassen. Doch Fräulein Andacht rümpft ob dieser Anschuldigungen nur die Nase - mit so einer redet sie doch gar nicht.
Herr Pogge, Generaldirektor einer Firma, die Spazierstöcke herstellt, ist viel zu beschäftigt, um Pünktchen etwas anzumerken, und leider muss er auch noch jeden Abend zu irgendeinem Fest oder einem gesellschaftlichen Ereignis, denn seine Frau will etwas erleben. So erfährt niemand das Geheimnis von Fräulein Andacht und Pünktchen. Die beiden brechen jeden Abend auf, um an einer belebten Brücke zu betteln. Das Geld gibt die Andacht ihrem Bräutigam. Pünktchen ist froh, dass sie jeden Nachmittag, wenn die Andacht mit ihrem neuen Freund zum Tanz geht, frei hat. Sie hat auf der Brücke Anton kennen gelernt und beschließt, ihm zu helfen. Der Zehnjährige versorgt zu Hause seine kranke Mutter, kocht, putzt, versucht mit dem Verkauf von Schnürsenkeln Geld für die Miete zu verdienen und auch noch seine Schularbeiten zu machen. Pünktchen, die so etwas wie Armut nicht kennt, ist zwar entsetzt, wie Anton lebt, macht sich aber nicht daraus und hilft ihm, wo sie kann. Zum Beispiel sucht sie eines Tages in der Pause den Lehrer von Anton auf, um ihn davon abzubringen, der Mutter einen Brief zu schreiben, der dem armen Jungen Ärger bereiten könnte und der Mutter weitere Sorgen.
Alles scheint so weiter zu laufen, wäre da nicht der Verlobte der Andacht, der ein ganz übler Kerl zu sein scheint. Als die Andacht ihm einen Plan der Wohnung der Pogges zeichnet, ist Antons Entschlossenheit und Pünktchens Erfindungsreichtum gefragt.
Im Jahre 1930 erschien ein Kinderbuch des berühmten und geachteten Autors Erich Kästner. "Pünktchen und Anton" erwies sich als spannende, lustige und manchmal auch traurige Geschichte einer unmöglichen Freundschaft. Der Freundschaft eines armen Gassenjungen, der mit seiner kranken Mutter allein durchs Leben kommen muss, und einer reichen Tochter aus gutem Hause, mit Köchin und Gouvernante und allem, was dazu gehört. Der Erfolg der Geschichte war gewaltig und er hält bis zum heutigen Tag an.
Die "Junge Bibliothek" der Süddeutschen Zeitung, angelegt auf 50 Bände, veröffentlicht nun diesen Roman in der Textfassung der 2004 im Dressler Verlag erschienenen Ausgabe als Band 25. Der Preis von 4,90 Euro ist für die wunderschön gestalteten Bände fast schon eine Sensation und wer dieses Buch noch nicht kennt oder nicht in seiner privaten Bibliothek sein Eigen nennt, muss zugreifen.
Die Geschichte ist so amüsant, spannend, lustig, weise und mit warmem Humor, verständiger Sprache und lockerem Ton geschrieben, dass sie auch heute noch - wie vor 76 Jahren - aktuell und lesenswert ist. Erich Kästner versteht es, Trauriges und Tragisches neben Albernem und Absurdem, Lustigem und moralisch Getragenem so gekonnt zu erzählen, dass es Kindern - ob sieben oder zwölf Jahre alt - und Erwachsenen gleichermaßen das Herz aufgehen lässt. Dieses Pünktchen ist einfach ein so liebenswerter Mensch, dass man sie einfach kennen lernen muss - und sei es auch nur für die zwei Stunden Lektüre, die dieser Band dem Leser bietet.
Die zwischen den einzelnen Kapiteln eingestreuten philosophischen Betrachtungen Kästners regen zum Nachdenken an, ordnen ein, stellen klar und fragen schlicht, ob der Leser einfach liest oder auch mitdenkt - sprich: Diese kurzen Texte erhellen und führen vom Text fort. Kinder können diese kursiv gestellten Texte weglassen, beim Vorlesen stören sie eher, aber Erwachsene, die das Buch durchlesen, sollten einen Blick darauf werfen, sie entlarven Kästner als scharfen Beobachter und Menschenfreund.
Fazit: Dieser Klassiker ist dank der "Jungen Bibliothek" für jeden erschwinglich. Kein Weg führt an diesem Pflichtkauf vorbei - es sei denn, man will eines der nettesten Kinderbücher der Weltliteratur verpassen!