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Der Audio-Verlag hat 2005 diese Hörbuch-Edition herausgebracht. Sie enthält zehn Hörspiele, die auf den Romanen und Kurzgeschichten von Raymond Chandler beruhen:
Mord im Regen, 1986 (SWR/HR)
Dravec bittet einen Detektiv, den Buchhändler Steiner aufzusuchen, damit der die Finger von Dravecs Tochter läßt. Doch als der Detektiv Steiner überwacht, wird er Zeuge bei der Ermordung des Buchhändlers. Der Täter entkommt und am Tatort findet der Detektiv nur die nackte und unter Rauschgift stehende Carmen, Dravecs Tochter. Von ihr wurden offensichtlich Nacktfotos gemacht. Der Detektiv bringt Carmen zu Dravec nach Hause und fährt an den Tatort zurück. Die Fotoplatte und die Leiche Steiners sind verschwunden. Wenig später wird Dravec mit Nacktfotos seiner Tochter Carmen erpresst.
Gesteuertes Spiel, 1991 (SWR)
Philip Marlowe ist Kronzeuge in einem Mordprozess. Er soll sich nirgendwo sehen lassen, bis der Fall ausgestanden ist. Doch ein Freund bittet ihn, zu seinem Schutz mit zu einem Spielcasino zu kommen. Marlowe sagt zu und wird Zeuge, wie die Begleiterin seines Freundes 20.000 Dollar am Roulette-Tisch einstreicht. Der Casino-Boss Canelli schmeißt Marlowe hinaus. Als Marlowe auf dem Parkplatz einen Mann mit Revolver beobachtet, wird er von hinten niedergeschlagen.
Zu raffinierter Mord, 1996 (SWR)
John Dalmas arbeitet für Derek Walden. Doch sein Klient liegt mit der Waffe in der Hand und einem Loch in der Schläfe in seinem Hotelzimmer. Auf Dalmas wird geschossen, sein Chauffeur stirbt und die Polizei hängt ihm im Nacken. Stadtrat Sutro und seine Geliebte Helen Dalton spielen die Unschuldigen und Dalmas Freund Denny soll Helen beschatten. Doch plötzlich geht alles schief.
Der Mann, der Hunde liebte, 1988 (SWR/NDR)
John Carmady ist auf der Suche nach Isobel Share. Das junge Mädchen ist verschwunden. Die einzige Spur ist ein Schäferhund, den sie mitgenommen hat. Carmady findet den Hund bei einem Tierarzt und setzt den Mann unter Druck. Dann folgt er dem Arzt zu einem einsam gelegenen Haus. Wenig später ist der Arzt tot und Carmady wird niedergeschlagen und mit Drogen voll gepumpt. Er scheint in ein Wespennest gestochen zu haben.
Straßenbekanntschaft, 1999 (SWR)
Als Pete Anglich aus dem Bad kommt, überrascht er einen kleinen Gauner, der gerade seine Brieftasche untersucht. Wenig später ist der Gauner tot und Anglich verlässt das Hotel. Er genehmigt sich in einer Bude mitten im "Negerviertel" einen Whiskey und folgt einer hübschen jungen Frau, die ängstlich durch die Straßen huscht. Ein Päckchen wird aus einem Luxusauto heraus auf die Straße geworfen. Offensichtlich ist es für die Frau bestimmt. Wagen brausen heran und Polizei springt aus dem Auto. Anglich bekommt Handschellen verpasst und wird mitgenommen.
Der König in Gelb, 1993 (SWR)
Steve Grayce ist Hoteldetektiv. Da der berühmte King Leopardi in seinem Flur Lärm macht, zwingt ihn Grayce, sich in sein Zimmer zurück zu ziehen. Als Leopardi völlig betrunken auf ihn schießt, wirft ihn der Detektiv kurzerhand hinaus. Grayce wird daraufhin entlassen. Er versucht, herauszufinden, warum Leopardi erpresst wird, denn das hatte der Detektiv im Hotelzimmer herausgefunden. Wenig später sind drei Menschen tot und Grayce hat eine Menge Ärger am Hals.
Die Tote im See, 1983 (SWR)
Ein einflussreicher Konzernmanager engagiert John Dalmas um herauszufinden, wo seine Frau geblieben ist. Sie ist seit elf Tagen verschwunden und nur ein Scheck über 1.000 Dollar ist am Tag zuvor von einem ehemaligen Liebhaber der Frau bei einer Bank eingereicht worden. Dalmas soll höchste Diskretion wahren, findet aber wenig später den Ex-Liebhaber erschossen in seiner Wohnung. Der Fall weitet sich aus und Dalmas gerät in Gefahr selbst "zu einem Fall zu werden".
Ärger mit Perlen, 1969 (SWR)
Walter Gage soll eine gestohlene Perlenkette wiederbeschaffen. Seine Verlobte Ellen Macintosh ist der Meinung, dass der Chauffeur Henry Eichelberger sie gestohlen hat. Walter bekommt nur einen Befehl: Trink keinen Tropfen Alkohol. Doch wenig später betrinkt er sich mit seinem neuen besten Freund Henry Eichelberger und hat einen gefährlichen Plan, die Perlen wieder zu beschaffen.
Keine Verbrechen in den Bergen, 1983 (SWR/HR)
Evans wird von Mr. Lacy in einen Touristenort in den Bergen gerufen. Er benötige dringend seine Hilfe. Wenig später ist Lacy tot, Evans zweimal niedergeschlagen und ein weiterer Mann bekommt ein Messer in den Rücken. Die Polizei hingegen glaubt Evans nicht, dass es in den Bergen überhaupt Verbrechen gibt. Evans muss sich etwas einfallen lassen.
Der Bleistift, 1976 (WDR)
Marlow soll einem Gauner helfen, der auf einer Liste durchgestrichen wurde. Das bedeutet, dass zwei harmlos aussehende Männer kommen werden und ihn "voll Blei pumpen werden". Marlow und eine alte Freundin versuchen das zu verhindern.
Die Hörbuch-Edition kommt in einem großen, edel wirkenden Karton daher. Öffnet man diesen Karton, finden sich zehn CDs in Papphüllen und ein großformatiges Booklet. Dieses 32 Seiten starke Heft bietet eine Fülle an Informationen zu Raymond Chandler. Der ausführliche Lebenslauf bietet zahlreiche Daten und bewertet sein gesamtes Werk. Mehr als die Hälfte des Platzes nehmen allerdings Fotos ein, die Schauspieler aus Chandler-Filmen und Aufnahmen der Schauplätze seiner Romane zeigen. Sie wirken leider eher beliebig und sind von geringer Qualität. Auf einer Textseite kommt der Hörspielregisseur Herman Naber zu Wort, der Stellung zu den zehn von ihm bearbeiteten Hörspielen nimmt. Leider ist dieses Interview viel zu kurz, um diese Mammutaufgabe auch nur annähernd beleuchten zu können. Auf zwei Textseiten werden sechs der Sprecher vorgestellt: Hans-Peter Hallwachs, Hilmar Tate, Ulrich Pleitgen, Christian Brückner, Günther Lampe und der 1990 verstorbene Arnold Marquis gehören zur bekannteren Garde der Hörspielsprecher. Sie geben allesamt eine sehr gute Vorstellung in ihren Sprecherrollen. Auf einer Doppelseite werden die zehn Hörspiele aufgeführt, die Sprecher und ihre Rollen und die Produktionsangaben.
Alles in allem ist dieses Booklet äußerst gelungen und bietet einen hervorragenden Einblick in Chandlers Leben und Werk, die zehn Hörspielproduktionen werden leider nur kurz abgehandelt.
Die Hörspiele selbst sind von unterschiedlicher Qualität. Sie sind zwischen 1969 und 1999 entstanden und zwischen 45 und 70 Minuten lang. Der Ton ist durchweg gut, die Effekte sehr spärlich, ebenso dient die Musik der Akzentuierung und Trennung einzelner Kapitel. Sie verstärkt die düstere Atmosphäre, verbleibt aber meist angenehm zurückhaltend im Hintergrund der Hörspiele.
Wer die Hörspielproduktionen in kurzem Abstand hört, dem fällt zunächst unangenehm auf, dass sowohl die Stimme des Detektivs jeweils eine andere ist, als dass auch die Hauptrolle von völlig unterschiedlichen Personen besetzt ist. Einem Namenlosen folgt Philip Marlowe, dann erscheint John Dalmas, dann John Carmady und Pete Anglich. Es folgen Steve Grayce, wieder John Dalmas, dann Walter Gage und Evans und zum Schluss ein zweites Mal Marlowe.
Um so erstaunlicher ist es, dass der Detektiv immer gleich erscheint. Er trinkt, schießt sofort, redet wenig und handelt brutal und skrupellos. Die Polizei schätzt ihn, die Frauen ebenso, die Gauner kennen ihn und lassen in seiner Gegenwart, egal wie mächtig sie sind, schnellstens ihr Leben. Er bekommt immer eins "in die Fresse" und hält so ziemlich alles aus, teilt ebensoviel aus und riskiert fast immer sein Leben.
Die Stereotype sind so überdeutlich, dass sie wie Karikaturen ein und derselben Person wirken. Die von Kritikern vielgelobte "Literarisierung des Krimis" durch Raymond Chandler ist den Hörspielen in ihrer enormen Verkürzung auf diese actionlastigen Dialoge und Mordsequenzen nicht zu spüren.
Dem Stil der Kurzgeschichten folgend, sind die Hörspiele knappe Milieuschilderungen. Erklärungen sind nicht vorhanden, das Geschehen konzentriert sich auf wenige Handlungsorte und das nahezu in Echtzeit. Reihenweise werden Gauner erschossen, die meist komplexen Hintergründe sind durch wenige Sätze und Bemerkungen der Protagonisten nur schlaglichtartig erhellt.
Es entsteht eine Art Sittengemälde einer Zeit, in der Gauner die Straßen und Nachtclubs beherrschten und die Polizei auf verlorenem Posten stand. Eine Zeit, in dem viele Menschen Arbeit und Geld verloren und einige wenige sich auf deren Kosten bereicherten. Aber auch eine Zeit der Konkurrenz der Verbrecher untereinander, die zu zahllosen Morden und Verbrechen führte. Mitten in diesem Gemälde zeichnet Chandler das Bild eines Zynikers und hartgesottenen Privatdetektivs, der in seinem Inneren ein Menschenfreund ist und den Schwachen versucht zu helfen, ein Mann, der unbestechlich seinen Weg geht, auf niemanden Rücksicht nimmt und desillusioniert Trost im Alkohol sucht, aber nicht findet.
Diese Stimmung, dieses Stück Zeitgeschichte und nicht elegante Kriminalfälle und deren Lösung vermitteln diese Hörspiele perfekt. Wer "Who done it" erwartet, wird bitter enttäuscht. Es ist von Anfang an klar, wer Täter, wer Opfer und wer Held sein wird. Aber die Art und Weise, in der der Detektiv seinen Weg geht, in der die Umgebung zurückweicht vor seiner Zielstrebigkeit und Härte, ist einzigartig. Neben Dashiell Hammett vermag nur Raymond Chandler in wenigen Worten so viel mitzuteilen über den Zustand der Welt und der Seelenlage der Protagonisten.
Dies zu vermitteln gelingt den Hörspielen wunderbar. Leider steht dem Hörgenuß der Preis von 69 Euro entgegen. Das ist, auch wenn diese Produktion und ihr Umfang wirklich einzigartig ist, eine hohe Hemmschwelle. Leider, wie ich finde, denn sie lohnt den Kauf in jedem Fall.