Julius Werkazy ist ein eher altmodischer Detektiv mit einer mäßig erfolgreichen Detektei und nur einem einzigen Angestellten. Umso überraschter ist er, als er einen Anruf von niemand anderem als Osmos, dem mächtigen und schwerreichen Gründer des Landes Kalino, erhält. Um Kalino, das komplett von der Außenwelt abgeschottet liegt, ranken sich viele Mythen und Gerüchte, doch bisher konnten sie nicht so recht bestätigt werden – denn niemand von außerhalb darf Kalino betreten.
Nun bittet Osmos selbst Werkazy um Hilfe, denn in Kalino hat es einen Todesfall gegeben, ein Umstand, der absolut ungewöhnlich ist. Die Kalinianer haben keine Vorstellung vom Tod oder dem Konzept des Sterbens, daher scheint es undenkbar, dass in dem seltsamen kleinen Land erstmals ein Mord geschehen ist. Ausgerüstet mit einem kleinen Sender, der die hoch entwickelten Sicherheitssysteme überwinden soll, macht sich Julius Werkazy auf den Weg nach Kalino. Es wird ein denkwürdiger Ausflug voller Rätsel und Skurrilitäten, der nicht nur seltsame Bewohner, seltsame Verhaltensweisen und noch seltsamere technische Errungenschaften birgt, sondern vor allem eines: Lebensgefahr, und zwar für niemand anderen als Werkazy selbst …

"Reise nach Kalino" ist ein so seltsamer wie bezaubernder Ausflug in ein fiktives Land, das vage an die Visionen aus Brave New World erinnert, und hinterlässt beim Hörer einen bleibenden Eindruck: Diese Mischung aus Detektivgeschichte, Satire, Science Fiction und Dystopie ist charmant, fantasievoll, spannend und immer wieder überraschend, dazu noch glänzend gelesen. Der Protagonist Julius Werkazy ist altmodisch im besten Sinne und wird in Kalino mit einer Welt konfrontiert, die alles, was man sich als Außenstehender ausgemalt hatte, in den Schatten stellt.
Die Kalinianer sind, zumindest auf den ersten Blick, eine weiterentwickelte, perfektere Version der normalen Menschen: hoch intelligent, vor Gesundheit strotzend, gut aussehend, pragmatisch, produktiv. Doch was Radek Knapp sich hier ausgedacht hat, ist natürlich eine äußerst verquere, unsympathische Welt, eine teils sterile, teils lächerlich absurde Gesellschaft mit stark diktatorischen Zügen. Wie passt ein Mord in das Bild vom perfekten Land, in dem niemand krank wird, niemand – zumindest nicht sichtbar – stirbt? Julius Werkazy ist gewillt, es herauszufinden, und schreckt dabei auch nicht davor zurück, dem allmächtigen und scheinbar seit Jahrzehnten nicht mehr gealterten Gründervater Osmos gehörig auf den Schlips zu treten. Werkazy, der von technischen Geräten, die weiter entwickelt sind als sein Rasierapparat, nicht die geringste Ahnung hat, bewegt sich wie ein in die Jahre gekommener Fremdkörper durch diese vermeintlich heile, technologisch extrem futuristische Welt – bisweilen tollpatschig, in Wahrheit aber sehr scharfsinnig und wahnsinnig kurzweilig. Wenn Werkazy sich etwa von der Minibar in ein Gespräch verwickeln lässt oder versucht, die surrealen Paarungsrituale der hiesigen Gesellschaft zu durchschauen, ist das nicht nur unterhaltsam, sondern auch sehr komisch.

"Reise nach Kalino" ist eine Geschichte, die vor absurden Charakteren und Ideen nur so strotzt und die immer wieder zum Schmunzeln reizt, gleichzeitig aber auch wirklich spannend ist und den Hörer nicht mehr loslässt. Dazu trägt Sprecher Markus Boysen bei: Er liest Julius Werkazys abenteuerlichen Auftrag lakonisch und mit feinem Humor, zögert an den richtigen Stellen, lässt sich nie drängen, das Tempo im falschen Moment anzuziehen und gibt daher dem erfolglosen Detektiv, den es natürlich nicht aus Zufall nach Kalino verschlagen hat, ein durch und durch lebensechtes Gesicht. Auch die anderen Figuren erhalten durch Boysens Interpretation viel Leben, etwas Werkazys junger, technikaffiner Mitarbeiter oder der autoritäre, gönnerhafte Osmos.

Wer eine Geschichte sucht, die einfach ein wenig anders ist und Genres auf ungewöhnliche Art und Weise miteinander vermischt, wer altmodische Detektive und seltsame Fälle mit einer Prise Humor und vielen surrealistischen Ereignissen mag (und auch gegen fantasievoll-futuristische Anwandlungen nichts einzuwenden hat), der liegt mit "Reise nach Kalino" genau richtig! Toll ausgedacht, toll gelesen.

Hier geht es zur Hörprobe auf der Verlags-Website: "Reise nach Kalino"