Gesamt |
|
Anspruch | |
Aufmachung | |
Gefühl | |
Preis - Leistungs - Verhältnis | |
Spannung | |
Ton | |
"Willst du schon gehn? Der Tag ist ja noch fern.
Es war die Nachtigall und nicht die Lerche."
Diese bekannten Worte sprach Julia auf dem Balkon zu ihrem Romeo in William Shakespeares Tragödie "Romeo und Julia", erschienen im Jahr 1595. Mehr als fünfhundert Jahre später vertonte der Roof Music Verlag den Klassiker im August 2005 als Hörbuch. Die aus Theater, Kino und Fernsehen bekannte Schauspielerin Katharina Thalbach liest das Original in ungekürzter deutscher Fassung.
Zwei angesehene Familien in Verona, die Montagues und die Capulets, leben seit langem in Feindschaft, die sich bis auf die beiderseitigen Dienerschaften erstreckt. Wo sie einander begegnen, kommt es zum Streit, so auch zu Beginn des Stückes. Nach einem Wortgefecht der Diener, das sich schnell zum Degenkampf zwischen Tybalt und Benvolio entwickelt, kommt es sogar zu einem Degenkampf zwischen dem alten Capulet und dem alten Montague. Erst als der Prinz Escalus erscheint, beruhigen sich die Gemüter. Der Prinz verhängt die strengsten Strafen über den, der den Frieden erneut bricht.
Ein Fest der Capulets, das Romeo (Sohn der Montagues) mit Freunden zum Spaß maskiert besucht, wird zu seinem Schicksal. Er sieht Julia (Tochter der Capulets) und ist auf dem ersten Blick so verliebt in sie, wie sie in ihn. Schnell vergisst Romeo seine alte Liebe Rosalinde und auch Julia weiß, dass sie Romeo heiraten möchte und nicht Graf Paris, den ihr die Eltern zum Gemahl zugedacht haben. Doch die beiden sind sich von Anfang an bewusst, in welcher Lage sie sich befinden. Die Liebe ist es, die Romeo gleich nach dem Fest in den Garten der Capulets führt, wo er seine Angebetete findet.
Kurze Zeit später lassen sie sich von Pater Lorenzo trauen. Der stille Franziskaner findet dies zwar etwas schnell, glaubt aber, damit den Streit zwischen den Häusern Montagues und Capulet beenden zu können. Doch das Gegenteil geschieht, und mit dieser geheimen Hochzeit nimmt der dramatische Untergang von Romeo und Julia ihren Lauf ...
Das Drama wird nur einer einzigen Stimme überlassen, nämlich der dunklen, rauen Stimme Katharina Thalbachs. In der betont modernen und naturalistischen Übersetzung des früh verstorbenen Berliner Dramatikers Thomas Brasch findet die Vorleserin einen Weg der Darbietung, der sowohl der von Brasch betonten Beschränktheit aller Protagonisten als auch der titanischen Symbolkraft des Aufbegehrens gegen Anpassung und Establishment gerecht wird. Für jede Figur findet sie einen eigenen Ton. 184 Minuten lang raunt, knurrt, kräht, heult, fleht oder flüstert sie und wahrt dabei auch noch das Versmaß - eine vielstimmige Wortoper, in der sich die Solistin durchweg als Ensemble präsentiert. Einzig negativ anzumerken ist, dass Thalbach mitunter zu schnell liest und der Hörer dadurch Schwierigkeiten hat, ihr zu folgen.
Thalbach liest nicht nur die Sequenzen der beteiligten Personen, sondern auch den gesamten Drucktext, inklusive Personenverzeichnis, Szenenanweisung, Auf- und Abtrittsordnung. Zu Höhepunkten werden die kalauernden Wortspiele und deftigen Effekte in den Straßenszenen. Katharina Thalbach gelingt es durch ihre stimmliche Interpretation von "Romeo und Julia" beim Hörer eine Sogwirkung der Rebellion und des Idealismus zu entfesseln.
"Romeo und Julia" gehört zu den wertvollsten Klassikern der internationalen Literatur. So viele Bücher gibt es nicht, die jeder einmal im Leben gelesen - oder gehört - haben sollte. Dies ist eines davon.